Antibiotika-Resistenz

Keime springen oft von Tier auf Mensch

Ein neuartiger Blick ins Bakterien-Erbgut zeigt: Multiresistente Bakterien werden häufig zwischen Mensch, Haus- und Wildtier ausgetauscht. Die Keime bedrohen dabei den Fortschritt in der Human- und Veterinärmedizin.

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Infektionsgefahr: Im engen Umgang mit Nutztieren sind Schutzmaßnahmen sehr sinnvoll.

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© JackF / fotolia.com

BERLIN. Eine weltweit vorkommende, multiresistente ESBL-produzierende E. coli-Variante kann in großem Umfang zwischen Menschen, Haus- und Wildtieren übertragen werden. Das hat ein internationales Wissenschaftlerteam mithilfe einer neuen bioinformatischen Methode herausgefunden.

Sie konnten den Stammbaum der Erreger in einer bislang einmalig hohen Auflösung darstellen.

Solche phylogenetischen Analysen von Erreger-Stammbäumen sind unverzichtbar, um die Entwicklung, Verbreitung und Übertragung von Krankheitserregern und Antibiotikaresistenzen zu verfolgen und den Infektionsschutz zu verbessern, berichtet das Robert Koch-Institut in einer Mitteilung.

Die Studie wurde im Fachmagazin PLoS Genetics publiziert (PLoS Genet 12 (9): e1006280. doi:10.1371/journal.pgen.1006280).

Risiko für medizinischen Fortschritt

Multiresistente gramnegative Bakterien (MRGN) bedrohen zunehmend den medizinischen Fortschritt in der Human- und Veterinärmedizin. Forscher vermuten schon länger, dass die Erreger – und die Erbanlagen, die die Resistenzen überhaupt erst ermöglichen – zwischen Mensch, Tier und Umwelt zirkulieren.

Ein Beispiel sind multiresistente ESBL-produzierende E. coli, die in der Lage sind, bakterielle Enzyme zu bilden (sogenannte Extended Spectrum Beta-Lactamasen, ESBL) und damit verschiedene Antibiotika zu inaktivieren.

Das Team um Alan McNally hat jetzt gezeigt, dass der Austausch von ESBL-bildenden E. coli zwischen Menschen, Haus- und Nutztieren tatsächlich in großem Maße stattfindet. Die Wissenschaftler untersuchten dafür mehr als 200 Isolate einer bestimmten ESBL-produzierenden E. coli-Variante (Sequenztyp 131; ST131), die aus verschiedenen Ländern und Wirten stammten.

Sie analysierten und verglichen jeweils das gesamte Erbgut der Erreger – dabei kombinierten sie erstmals die detaillierte Analyse des Kerngenoms mit der Analyse des akzessorischen und regulativen Genoms.

Unter Genom versteht man die Gesamtheit aller vererbbaren Informationen eines Organismus. Das Kerngenom kommt bei allen Vertretern einer Art vor. Daneben gibt es zusätzlich Gene, die variieren können – sie werden in ihrer Gesamtheit als akzessorisches Genom bezeichnet.

Blick auf Evolution und Verbreitung

Bakterien können ihr Erbgut auch gezielt steuern, die dafür verantwortlichen Bereiche heißen regulatorisches Genom. Bei Stammbaum-Analysen wurde bislang meist nur das Kerngenom untersucht, in den vergangenen Jahren kamen bei einigen Bakterienarten die Analysen des akzessorischen und regulatorischen Erbguts hinzu.

Durch die Kombination der Analyse aller drei Genombereiche haben die Wissenschaftler einen Blick in die Evolution und die Verbreitung dieser Erreger mit bislang einmaliger Auflösung erreicht.

Wichtig sind Sequenzierautomaten

Die molekulare Surveillance, die vollständige Untersuchung von Erregergenomen und die Analyse der Entwicklung und Verbreitung, wird im Infektionsschutz immer wichtiger. Eine wesentliche Voraussetzung dafür sind leistungsfähige Sequenzierautomaten und die Expertise von Bioinformatikern.

An der Studie waren außer Wissenschaftlern um Alan McNally von der Nottingham Trent University auch Berliner Forscher beteiligt, darunter Sebastian Günther und Katharina Schaufler von der Freien Universität Berlin sowie Lothar H. Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts.

Das RKI kooperiert eng mit der Freien Universität Berlin und nutzt neben der eigenen Infrastruktur auch deren Supercomputer. (eb)

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