Studie

“Künstliche Intelligenz“ schlägt Hautärzte bei Krebsdiagnose

Ein Algorithmus beurteilt Hauttumoren in einer Studie präziser als Hautärzte. Das geht aus einer aktuellen Studie hervor.

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Malignes Melanom: An dieser bösartigsten Form von Hautkrebs erkranken in Deutschland jedes Jahr über 21.000 Menschen.

Malignes Melanom: An dieser bösartigsten Form von Hautkrebs erkranken in Deutschland jedes Jahr über 21.000 Menschen.

© Davorin Wagner / Chirurgie im

HEIDELBERG. In einer Untersuchung traten 157 Hautärzte aus zwölf Universitätskliniken in Deutschland gegen Computer an: Sowohl die Ärzte als auch der eigens programmierte Algorithmus beurteilten dabei 100 Bilder danach, ob es sich um ein Muttermal oder um schwarzen Hautkrebs handelt. Am Ende war der Algorithmus präziser als die klinische Diagnostik, wie das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg am Donnerstag mitteilte. Die Studie ist im Fachmagazin „European Journal of Cancer“(doi.org/10.1016/j.ejca.2019.04.001) erschienen.

Den Algorithmus haben Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), der Universitäts-Hautklinik und des NCT entwickelt. Er kann verdächtige Hautveränderungen digital beurteilen. Die Studie ist Teil des vom Bundesgesundheitsministerium geförderten Skin-Classification-Projekts

Die Innovation werde die ärztliche Diagnose aber nicht überflüssig machen, hieß es. Der Einsatz solcher “künstlicher Intelligenz“ werde in der Dermatologie künftig wichtiger werden, um präzise Diagnosen zu erstellen.

„Der Algorithmus könnte die klinische Beurteilung von Hauttumoren sinnvoll ergänzen“, erläuterte Jochen Sven Utikal, Leiter der Klinischen Kooperationseinheit des DKFZ. „Es ist ähnlich wie beim Autopiloten im Flugzeug: Bei gutem Flugwetter und häufigen Strecken ist das Assistenzsystem hilfreich. Bei schwierigen Landungen muss ein erfahrener Pilot hingegen Verantwortung übernehmen. Das kann ein Computer so allein nicht leisten“, sagte Titus Brinker, Leiter der Studie und Wissenschaftler am DKFZ und NCT Heidelberg.

Außerdem wird der Algorithmus der ärztlichen Praxis bisher nicht gerecht. Denn er kennt nur zwei Diagnosen: Muttermal oder schwarzer Hautkrebs. „Die klinische Realität ist allerdings eine völlig andere: Ein Facharzt muss bei der körperlichen Untersuchung zwischen mehr als hundert Differenzialdiagnosen unterscheiden können. Davon sind viele sehr selten, einige sind kaum allein am Bild zu erkennen, sondern brauchen weitere Informationen wie zum Beispiel Tasteindrücke“, erklärte Alexander Enk, Direktor der Universitäts-Hautklinik Heidelberg.

In der Studie wurden 100 Bilder von Hautauffälligkeiten verwendet, 20 davon zeigten schwarzen Hautkrebs (Melanom) und 80 gutartige Muttermale. Die Dermatologen von zwölf deutschen Universitäts-Hautkliniken (Berlin, Bonn, Erlangen, Essen, Hamburg, Heidelberg, Kiel, Magdeburg, Mannheim, München, Regensburg, und Würzburg) sollten das weitere Vorgehen bestimmen: entweder eine Biopsie vornehmen oder dem Patienten von der Gewebeprobe abraten.

Dieselben 100 Bilder wurden anschließend von einem zuvor mit 12 378 anderen Bildern trainierten Algorithmus automatisiert bewertet. Nur sieben der 157 Dermatologen schnitten besser ab als der Algorithmus. 14 erzielten gleich gute Ergebnisse und 136 hatten schlechtere Ergebnisse. Im Durchschnitt war der Algorithmus präziser in der Beurteilung der Hauttumoren als die Hautärzte. Dabei spielte es keine Rolle, welche Position und Erfahrung der jeweilige Arzt hatte. Im Durchschnitt waren Assistenzärzte über Fach- und Oberärzte bis zum Chefarzt dem Algorithmus unterlegen. (dpa)

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