Kopf-Hals-Tumoren

Kürzeres Leben trotz Sieg über den Tumor

Überstehen 50-Jährige einen Kopf-Hals-Tumor, ist ihre Lebenszeit im Mittel um 6,5 Jahre reduziert. Offenbar sind Rauchen, Trinken, Einsamkeit und Armut Gründe hierfür.

Veröffentlicht:

SAINT LOUIS. Krebspatienten haben auch dann eine geringere Lebenserwartung, wenn sie den Krebs besiegen. Als Gründe gelten die Folgen der Tumorbehandlung, ein erhöhtes Risiko für weitere Tumoren sowie ein ungesunder Lebensstil. Letzteres scheint besonders für Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren zu gelten. In dieser Gruppe ist der Alkohol- und Tabakkonsum recht hoch, und es könnten noch weitere Faktoren zur verkürzten Lebenszeit beitragen. Es wäre daher für die Tumornachsorge wichtig, Patienten zu identifizieren, die ein hohes nicht krebsbedingtes Sterberisiko aufweisen, schreiben HNO-Ärzte um Dr. Sean Massa von der Universität in Saint Louis (Head Neck 2017, 39(9):1845–1853).

Anhand von Angaben aus dem Krebsregister SEER (Surveillance, Epidemiology, and End Results) haben die HNO-Experten die Lebenserwartung von Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren genauer analysiert. Sie fanden Einträge zu knapp 64.000 Patienten aus 18 regionalen Registern, die rund 30 Prozent der US-Bevölkerung abdecken. Ausgewertet wurden nur Angaben von Patienten im Alter über 50 Jahren, die zwischen 2004 und 2011 an einem Plattenepithelkarzinom erkrankt waren. Von diesen waren bei der Analyse rund 38 Prozent gestorben, 27 Prozent an den direkten Folgen der Tumorerkrankung, 11 Prozent an anderen Ursachen.

Die Todesfälle waren nur in den ersten 30 Monaten nach der Diagnose primär tumorbedingt, danach dominierten nicht krebsbedingte Todesursachen. Bei den Patienten, die nicht am Primärtumor starben, war die Lebenszeit dennoch deutlich verkürzt. So berechneten die HNO-Experten um Massa für sie bei einem Alter von 50 Jahren eine Lebenserwartung von im Schnitt 73 Jahren. In der US-Bevölkerung dürfen 50-Jährige mit einer ähnlichen Verteilung von Alter, Geschlecht, Ethnie und Geburtsjahr mit einem Leben bis 79,5 Jahre rechnen, also sechseinhalb Jahren mehr.

Bei Frauen war der Unterschied mit 8,5 Jahren deutlich größer als bei Männern (5,9 Jahre), bei Afroamerikanern größer als bei Kaukasiern (8,5 versus 6,2 Jahre), bei staatlich Versicherten (Medicaid) ausgeprägter als bei privat Versicherten (12,9 versus 4,7 Jahre), bei Tumoren im Stadium IV größer als bei solchen im Stadium I (7,9 versus 3,1 Jahre) und bei Hypoharynx- deutlicher als bei Oropharynxkarzinomen (12,6 versus 4,3 Jahre).

Überraschend war die Lücke zwischen der Allgemeinbevölkerung und den Tumorkranken bei Singles kleiner als bei Verheirateten oder Geschiedenen (3,3 versus 9,4 und 11,4 Jahre), was wohl auch daran liegt, dass die Lebenserwartung in den USA bei Singles insgesamt deutlich niedriger ist. In absoluten Zahlen leben verheiratete Kopf-Hals-Tumor-Überlebende am längsten (im Schnitt 76,4 Jahre), gefolgt von den Singles (67,4 Jahre) und Verwitweten oder Geschiedenen (66,6 Jahre). Das Team um Massa zieht daraus den Schluss, dass Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren auch ohne den Tumor weniger gesund sind als die übrige Bevölkerung, was nicht gerade überrascht, finden sich unter den Betroffenen doch gehäuft exzessive Raucher mit einem Alkoholproblem. Hinzu kommt, dass rund die Hälfte der Patienten nicht verheiratet ist, was wohl ebenfalls die Prognose verschlechtert. Ins Bild passt auch, dass Schwarze und sozial Benachteiligte besonders viele Lebensjahre einbüßen: Solche Personen haben in den USA einen schlechteren Zugang zum Gesundheitssystem oder gehen von sich aus eher selten zum Arzt. Ob die Unterschiede in Deutschland ähnlich groß sind, darf bezweifelt werden, schließlich gibt es keine vergleichbaren Barrieren in der Gesundheitsversorgung. Da jedoch auch hierzulande der Anteil von Rauchern und Alkoholkranken unter den Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren recht hoch sein dürfte, wäre unter den Überlebenden ebenfalls mit einer deutlich verkürzten Lebenserwartung zu rechnen. (mut)

Daten aus dem Krebsregister SEER

- Patienten mit Kopf-Hals-Tumor, , die nicht am Primärtumor starben, hatten bei einem Alter von 50 Jahren eine Lebenserwartung von im Schnitt 73 Jahren.

- In der US-Bevölkerung dürfen 50-Jährige mit einer ähnlichen Verteilung von Alter, Geschlecht, Ethnie und Geburtsjahr hingegen mit einem Leben bis 79,5 Jahre rechnen.

Schlagworte:
Mehr zum Thema

Apogepha

EU-Kommission lässt Ryzneuta® zu

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Rechtzeitig eingefädelt: Die dreiseitigen Verhandlungen zwischen Kliniken, Vertragsärzten und Krankenkassen über ambulantisierbare Operationen sind fristgerecht vor April abgeschlossen worden.

© K-H Krauskopf, Wuppertal

Ambulantisierung

90 zusätzliche OPS-Codes für Hybrid-DRG vereinbart

Führen den BVKJ: Tilo Radau (l.), Hauptgeschäftsführer, und Präsident Michael Hubmann im Berliner Büro des Verbands.

© Marco Urban für die Ärzte Zeitung

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“