Gastrointestinale Onkologie

Metastasiertes Kolonkarzinom: Lieber „Hit Hard“ als „Go Slow“

Fitte Patienten mit metastasiertem Kolonkarzinom ziehen großen Nutzen aus einer frühen, intensiven Kombinationstherapie. Viele inoperable Patienten können danach doch noch operiert werden – und leben vielleicht sogar länger.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Kolorektales Karzinom. Wie lässt sich die Therapie Betroffener optimieren – auch derjenigen mit metastasierter Erkrankung?

Kolorektales Karzinom. Wie lässt sich die Therapie Betroffener optimieren – auch derjenigen mit metastasierter Erkrankung?

© Anatomy Insider / stock.adobe.com

Berlin. Was tun bei Patienten mit metastasiertem Darmkrebs (CRC), bei denen die Erkrankung so weit fortgeschritten ist, dass Chirurgen ungern primär operieren?

Professor Michael Geißler vom Esslingen Cancer Center (ECC) am Klinikum Esslingen ist dieser Frage am Eröffnungstag des Deutschen Krebskongresses (DKK) 2020 in einer Keynote nachgegangen – und er plädierte mit Nachdruck für eine frühe, intensive Kombinationstherapie bei zumindest einem Teil der Patienten.

VOLFI-Studie: Höhere Resektionsrate bei Vierfachkombi

An hoch wirksamen Kombinationstherapien stehen beim metastasierten CRC unter anderem die Dreifachchemotherapie mit 5-FU, Irinotecan und Oxaliplatin (FOLFIRINOX) und die Zweifachchemotherapie mit FOLFIRI oder FOLFOX in Kombination mit einem EGFR-Antikörper zur Verfügung. Direkte Vergleichsstudien zu diesen beiden Ansätzen fehlten bisher, so Geißler. Studien liefen aber, und mit den Ergebnissen könne in ein bis zwei Jahren gerechnet werden.

Noch einen Schritt weiter ging die kürzlich publizierte Phase II-Studie VOLFI. In dieser AIO-Studie wurde bei 96 Patienten mit nicht resezierbarem, metastasiertem RAS-Wildtyp CRC eine Dreifachkombination nach modifiziert dosiertem FOLFOXIRI-Schema in Kombination mit dem EGFR-Antikörper Panitumumab verglichen mit normal dosiertem FOLFOXIRI alleine (Modest DP et al. J Clin Oncol 2019; 37(35):3401-11)

„Sehr eindrucksvolle Erfolge“

Die Erfolge dieser intensiven Therapie seien sehr eindrucksvoll gewesen, so Geißler. Nicht nur wurde eine signifikant höhere Ansprechrate von 87,3 Prozent gegenüber 60,6 Prozent erreicht (p=0,004). Auch die prognostisch relevante, sekundäre Resektionsrate war mit 33,3 Prozent gegenüber 12,2 Prozent signifikant höher (p=0,029).

Wurden nur die Daten jener Patienten analysiert, die anfangs als potenziell sekundär resektabel eingestuft wurden, lag der Anteil der sekundär resezierten Patienten sogar bei 75 Prozent. Ermöglicht wurde das dadurch, dass der Tumor unter Therapie deutlich schrumpfte: Bei 85 Prozent aller Patienten hatte sich das Tumorvolumen bis Woche 8 um mindestens ein Fünftel reduziert. Ohne Panitumumab war das nur bei 60 Prozent der Patienten der Fall.

Geißler nannte als Vergleich die Ergebnisse der älteren TRIBE-Studie, in der eine frühe Schrumpfung des Tumors um mehr als ein Fünftel bei einer anderen Vierfachkombination, FOLFOXIRI und Bevacizumab, nur bei rund 60 Prozent der Patienten erreicht wurde. Die EGFR-Antikörper-haltige Intensivtherapie scheine hier deutliche Vorteile zu habe, auch wenn indirekte Studienvergleiche immer vorsichtig zu interpretieren seien.

Nicht alle Patienten kommen für „Hit Hard and Early“ in Frage

In der angesichts der Studiengröße nur exploratorischen Sterblichkeitsanalyse gab es für die Gesamtkohorte und insbesondere für jene Patienten, bei denen eine sekundäre Resektion möglich erscheint, ein deutliches Signal in Richtung eines besseren Überlebens. Dies galt allerdings nicht für Patienten mit BRAF-Mutation und auch nicht für Patienten, bei denen sich der Primärtumor im rechten Hemikolon befand.

„Insbesondere bei den BRAF-mutierten Patienten brauchen wir dringend Studien“, so Geißler. Diese Patienten werden derzeit oft mit Dreifachkombinationen behandelt, doch die Evidenz dafür ist dünn.

Insgesamt spreche mittlerweile beim metastasierten, nicht primär resektablen CRC vieles für eine Herangehensweise nach dem Prinzip „Hit Hard and Early“, betonte der Onkologe. Dabei sollten nicht die zwölf Zyklen der VOLFI-Studie genutzt werden. Patienten könnten vielmehr kompakt über vier bis sechs Zyklen behandelt und dann, wenn möglich, operativ versorgt werden.

Professor Michael Ghadimi von der chirurgischen Klinik am Universitätsklinikum Göttingen sieht in erster Linie jene Patienten als Kandidaten für ein „Hit Hard and Early“-Vorgehen an, bei denen es vorab denkbar erscheint, eine Resektabilität zu erreichen. Geißler hält dagegen auch voraussichtlich nicht resektable Patienten mit hoher Tumorlast und aggressiver Tumorbiologie für eine mögliche Zielgruppe. In jedem Fall eigne sich das Vorgehen aber nur für fitte, bevorzugt eher jüngere Patienten.

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