ICD am Lebensende

Neue Empfehlungen zu einem heiklen Thema

Implantierbare Kardioverter/Defibrillatoren (ICD) können am Lebensende schmerzhaft den Sterbeprozess verlängern. Experten haben jetzt Empfehlungen zum Umgang mit ICD bei Sterbenden veröffentlicht.

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ICD-System: Schon vor der Implantation sollte über mögliche Probleme am Lebensende aufgeklärt werden.

ICD-System: Schon vor der Implantation sollte über mögliche Probleme am Lebensende aufgeklärt werden.

© Fulton/BVMed-Bilderpool

BERLIN. Der Wandel der Herzmedizin zu einer Hightech-Disziplin wirft zunehmend ethische Fragen auf. Daher wurde in der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) die "Projektgruppe Ethik in der Kardiologie" gegründet.

Das 17-köpfige interdisziplinäre Gremium unter Leitung von Professor Johannes Waltenberger aus Münster hat nun eine erste Stellungnahme veröffentlicht. Darin geht es um die Frage, wann implantierbare Kardioverter/Defibrillatoren (ICDs) abgeschaltet werden dürfen, wenn herzkranke Menschen im Sterben liegen (Kardiologie 2017; 11: 383).

Keine Frage: ICDs können ein großer Segen sein, etwa nach erfolgreicher Wiederbelebung bei einem plötzlichen Herztod. Die Geräte bieten die Chance auf zusätzliche Lebensjahre und mehr Lebensqualität, betont die DGK in einer Mitteilung. "Im Sterbeprozess verkehrt sich der Nutzen der Defibrillatoren aber ins Gegenteil. Sie verlängern die palliative Phase und können Sterbende durch Elektroschocks schwer belasten", wird Waltenberger in der Mitteilung zitiert.

Das Problem ließe sich dann ganz einfach durch eine Deaktivierung der Geräte beheben. Doch wann ist das rechtlich und ethisch zulässig?

Großer Konsens in Online-Umfrage

Dass Defibrillatoren in der palliativen Phase deaktiviert werden sollten, hat bereits 2015 eine Online-Umfrage der Projektgruppe unter 286 Chefärzten aus kardiologischen und 82 Chefärzten aus herzchirurgischen Abteilungen in 292 Krankhäusern ergeben.

94 Prozent der Befragten sahen darin einen sinnvollen Therapieabbruch oder eine sinnvolle Therapiebegrenzung. 89 Prozent stimmten zu, dass eine ICD-Deaktivierung angemessen sei, wenn der Patient sterbe und er zudem einer ICD-Deaktivierung ausdrücklich zugestimmt habe.

Unsicherheit herrscht hingegen hinsichtlich der Legitimität. Nur 44 Prozent der Befragten meinten, dass die ICD-Deaktivierung am Lebensende straf- wie standesrechtlich geklärt sei. Auch fehlt es mehrheitlich an Handlungsnormen in den Einrichtungen: Mehr als zwei Drittel (68 Prozent) gaben an, dass es in ihrer Klinik keine Richt- oder Leitlinien zum Thema ICD-Management am Lebensende gebe.

Fast alle Befragten (96 Prozent) sagten zwar, dass die ICD-Deaktivierung im Patientengespräch angesprochen werde, bei fast drei Viertel jedoch erst in der letzten Lebensphase. Nur ein knappes Viertel der Befragten konnte bestätigen, dass das Thema in der Patientenaufklärung vor der Implantation besprochen wurde. Auch gab es kaum Schulungen, Unterlagen oder Standards für diese wichtigen Gespräche.

Nicht einmal die Hälfte (47 Prozent) der Befragten gab an, ihren ICD-Patienten werde geraten, das ICD-Management am Lebensende in einer Patientenverfügung zu regeln.

Mögliche Deaktivierung rechtzeitig ansprechen!

"Die mangelhafte oder zu späte Patientenaufklärung ist eines der größten ethischen Probleme. Wird das ICD-Deaktivierungsthema erst kurz vor Lebensende angesprochen, sind die Betroffenen oft nicht mehr einwilligungsfähig", betont Waltenberger.

Eine der wichtigsten Empfehlungen der Projektgruppe lautet daher: Noch ehe der Defibrillator implantiert wird, müssen Risiken und Folgeprobleme sowie eine mögliche Deaktivierung thematisiert werden.

Das erste Gespräch sollte dem Informationsbedürfnis und der konkreten Situation des Patienten angepasst sein. Angehörige sollten miteingebunden werden. "Die Aufklärung zu Beginn ist häufig auch die Einzige, schließlich ist ein großer Teil der Patienten zum Zeitpunkt der Implantation bereits über 80 Jahre alt", sagt Waltenberger.

Bei einer längeren ICD-Verwendung müssen die betreuenden Kardiologen Folgegespräche anregen. "Richtig wäre, über die Deaktivierung möglichst weit vorausschauend vor dem Eintritt der Palliativversorgung zu sprechen und in einer Patientenverfügung festzuhalten", so Waltenberger. Die behandelnden Ärzte sind dazu verpflichtet, das Gerät zu deaktivieren, wenn es der Patient fordert oder in der Patientenverfügung festgehalten hat.

Umgekehrt darf der Defibrillator nicht gegen dessen Willen abgeschaltet werden. Bei nicht mehr einwilligungsfähigen Patienten muss der mutmaßliche Wille ermittelt werden. Haben sie nicht ausdrücklich widersprochen, gibt es in der unmittelbaren Sterbephase eine Besonderheit: Hier darf der Patientenwille zur Deaktivierung auch dann vermutet werden, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für die individuelle Einstellung der Sterbenden vorhanden sind.

"Wir empfehlen außerdem institutionelle oder persönliche Merklisten, die etwa erinnern sollen, welche Punkte zu berücksichtigen oder welche Personen hinzuzuziehen sind – sei es aus praktischen, ethischen oder forensischen Gründen", so Waltenberger. "Sie sollen auch sicherstellen, dass es eine medizinisch informierte Entscheidung über den Modus der Deaktivierung gibt, Missverständnisse zwischen allen Beteiligten vermieden werden sowie eine kompetente und ausreichend legitimierte ICDDeaktivierung durchgeführt wird." (eb)

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