Sekundärprävention

"Nur eine Strategie – das reicht nicht!"

Bei Patienten mit manifester Gefäßerkrankung varriert das Zehn-Jahres-Risikos für ein erneutes Ereignis stark – selbst unter leitliniengemäßer Sekundärprävention.

Von Beate Schumacher Veröffentlicht:
Probleme in den Gefäßen: Bei der Prognose Betroffener gibt es große Unterschiede.

Probleme in den Gefäßen: Bei der Prognose Betroffener gibt es große Unterschiede.

© psdesign1 / fotolia.com

UTRECHT. Ein internationales Ärzteteam unter Leitung von Frank L. J. Visseren von der Universität Utrecht macht darauf aufmerksam, dass es in der Prognose von Patienten mit klinisch manifester, stabiler Gefäßerkrankung große Unterschiede gibt: So hätten bei Weitem nicht alle Patienten ein hohes Zehn-Jahres-Risiko für ein erneutes Ereignis.

Umgekehrt sei selbst eine heute als optimal geltende Sekundärprävention nicht bei allen in der Lage, ein hohes Risiko abzuwenden.

6904 Patienten beurteilt

Die Risikoabschätzung basiert auf der Beurteilung von 6904 Sekundärpräventionspatienten mit Hilfe des validierten SMART-Scores (Circulation 2016; online 28. September).

Die Patienten der Universitätsklinik Utrecht hatten eine KHK (60 Prozent), eine zerebrovaskuläre Erkrankung (29 Prozent), eine PAVK (19 Prozent), ein Bauchaortenaneurysma (9 Prozent) oder mehrere Gefäßerkrankungen (16 Prozent) und waren zwischen 1996 und 2013, in einer stabilen Krankheitsphase, in die Untersuchung einbezogen worden.

Das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall oder vaskulär bedingten Tod innerhalb der nächsten zehn Jahre lag in der Gesamtkohorte im Median bei 17 Prozent, reichte aber von < 5 Prozent bis > 50 Prozent. Ein Risiko < 10 Prozent hatten 18 Prozent der Patienten, etwas mehr (22 Prozent) ein Risiko über 30 Prozent. KHK-Patienten hatten das niedrigste (median 14 Prozent) und Patienten mit zwei und mehr Gefäßerkrankungen das höchste Risiko (median 35 Prozent).

Anhand der Risikoreduktionen, wie sie in randomisierten kontrollierten Studien ermittelt worden sind, berechneten die Ärzte um Visseren zudem, wie weit sich das ZehnJahres-Risiko der Teilnehmer bei optimaler Sekundärprävention senken ließe.

Als optimal galten Rauchstopp, LDL-Cholesterin < 100 mg / dl bei hohem bzw. < 70 mg / dl bei sehr hohem Risiko, Blutdruck < 140 / 90 mmHg, Behandlung mit mindestens einem Thrombozytenhemmer oder Antikoagulans, körperliche Aktivität mittlerer Intensität für mindestens 30 Minuten an fünf Tagen der Woche und ein BMI zwischen 18,5 und 25 kg / m2.

Unter dieser Voraussetzung reduzierte sich das geschätzte Zehn-Jahres-Risiko auf median 11 Prozent. Immerhin knapp die Hälfte der Patienten (47 Prozent) hatte sogar ein Risiko < 10 Prozent. Bei 9 Prozent wurde aber weiterhin ein Risiko > 30 Prozent angenommen. Bei Patienten mit Manifestation in mehreren Gefäßregionen betrug das mediane Risiko immer noch 22 Prozent.

Risikoreduktion ging über Jahre zurück

Die durch maximale Sekundärprävention erzielbare Risikoreduktion ging über die Jahre hinweg zurück. In der Kohorte von 2009 bis 2013 etwa waren es im Median nur drei Prozentpunkte, in der Gesamtkohorte betrug der mögliche Rückgang dagegen fünf Prozentpunkte.

Das heißt, bei später in die Untersuchung aufgenommenen Patienten waren die Risikofaktoren bereits besser unter Kontrolle.

Die große Heterogenität im Zehn-Jahres-Risiko für ein schweres arterielles Ereignis zeigt nach Aussage der Studienautoren, "dass eine einzige Strategie zur Sekundärprävention nicht mehr adäquat ist". Neben einer Risikostratifizierung und einer konsequenteren Anwendung etablierter Maßnahmen seien daher auch strengere Zielvorgaben (z. B. beim LDL-Cholesterin) oder neue Therapieziele (z. B. inflammatorische Prozesse) in Betracht zu ziehen.

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