HINTERGRUND

Patienten mit Immundefekten sollten geimpft werden, denn sie profitieren besonders vom Impfschutz

Veröffentlicht:

Von Michael Hubert

Patienten mit angeborenen oder erworbenen Immundefekten, zum Beispiel Patienten mit Tumorerkrankungen oder HIV-Infektion, sind durch Infektionskrankheiten stärker gefährdet als Gesunde. Von möglichen Schutzimpfungen profitieren diese Patienten daher besonders. Was dabei zu beachten ist, hat die Ständige Impfkommission (STIKO) in ihrem aktuellen Leitfaden zusammengefaßt (Epid Bull 39, 2005, 353).

Patienten mit Immundefekten können mit allen verfügbaren Totimpfstoffen geimpft werden. Die Defekte sind keine Kontraindikation für diese Vakzinen. Lediglich der Impferfolg könne vermindert sein oder ausbleiben. Der Nachweis spezifischer Impfantikörper als Marker für den Impferfolg sei eventuell sinnvoll. Die Impfungen mit Totimpfstoffen sollten grundsätzlich entsprechend den allgemeinen STIKO-Empfehlungen erfolgen.

Schutz gegen Pneumokokken und Grippe wird empfohlen

Erkrankungen durch Grippeviren oder Pneumokokken sind für abwehrgeschwächte Patienten besonders folgenschwer. Die Impfstoffe dagegen sind Totimpfstoffe, und der Schutz ist daher sehr sinnvoll. Gegen Influenza wird jährlich, gegen Pneumokokken-Erkrankungen alle sechs Jahre (Kinder bis zehn Jahre alle drei Jahre) geimpft.

Die STIKO rät zudem, Patienten mit Immundefekten gegen Meningokokken und Haemophilus influenzae Typ b (Hib) zu impfen. Gegen Meningokokken wird mit konjugiertem MenC-Impfstoff geimpft, gefolgt von 4-valentem Polysaccharid-Impfstoff nach sechs Monaten (Schema für über Zweijährige).

Bei eingeschränkter humoraler Immunfunktion können Konjugat-Impfstoffe gegen Pneumokokken und Hib Vorteile haben. Beide Vakzine wurden entwickelt, weil das Immunsystem in den ersten zwei Lebensjahren nicht auf reine Polysaccharid-Antigene reagiert. Beide Impfstoffe sind bis zum fünften Lebensjahr zugelassen. Der Einsatz außerhalb der Zulassung muß im Einzelfall erwogen und mit den Patienten besprochen werden.

Impfungen mit Lebendvakzinen sind möglich, aber...

Bei Lebendimpfungen (Masern, Mumps, Röteln, Varizellen, Gelbfieber) kann für Patienten mit geschwächter Immunabwehr ein erhöhtes Impfrisiko bestehen. Eine Immundefizienz gilt jedoch heute nicht mehr generell als Kontraindikation für Lebendimpfstoffe. Allerdings sollte die Impfung nur in Kenntnis der speziellen immunologischen Situation erfolgen. Unter Chemotherapie und medikamentöser Immunsuppression sind Lebendimpfstoffe grundsätzlich kontraindiziert.

Nach Abschluß der vollständigen onkologischen Therapie ist eine Impfung bei Patienten in Remission (nach zwölf Monaten) möglich, wenn die Leukozytenzahl über 1500 pro Milliliter Blut liegt. Die Bacillus-Calmette-Guérin- (BCG) und orale Polioimpfung (OPV) werden in Deutschland generell nicht mehr empfohlen.

Die orale Lebendvakzine gegen Typhus ist bei Patienten mit Immundefizienz kontraindiziert, da ein risikoärmerer injizierbarer Totimpfstoff verfügbar ist.

Geimpftes Umfeld schützt abwehrgeschwächte Patienten

Was tun mit Patienten, wenn Lebendimpfungen kontraindiziert sind oder nur ein mangelhafter Impferfolg zu erwarten ist? Hier sind eine gute Expositions- und Umgebungsprophylaxe essentiell. Möglichst alle Kontaktpersonen breit zu impfen, ist der einzige Schutz der Patienten davor, sich mit einer impfpräventablen Erkrankung anzustecken.

Eine Übertragung von Impfstämmen ist nur bei oraler Poliovakzine oder der Typhuslebendimpfung, und sehr selten für die Varizellen-Vakzine beschrieben, für die MMR-Impfung jedoch nicht belegt. Bestehen Zweifel, bei welchem immunologischen Zustand Lebendimpfungen erfolgen können, rät die STIKO zur Absprache mit einem Immunologen (immunologische Zentren im Internet unter www.immundefekt.de). Bei geplanten Transplantationen sollen die Patienten rechtzeitig vor dem Eingriff durchgeimpft werden.

Immundefekte sollten kein Grund sein, betroffenen Patienten Impfungen vorzuenthalten. Das Gegenteil ist der Fall: Diese Patienten profitieren von Impfungen besonders. Sämtliche Impfungen mit Totimpfstoffen können erfolgen, Einschränkungen oder Kontraindikationen gibt es lediglich bei Lebendimpfungen.

Verzeichnis immunologischer Zentren beim Immundefekt-Centrum der Charité: www.immundefekt.de, dann "weitere Centren" anklicken; Download des STIKO-Leitfadens: www.rki.de, den Link "Infektionsschutz" anklicken und dann "Epidemiologisches Bulletin"



Impfungen bei Abwehrschwäche

  • Diphtherie, Tetanus
  • Influenza
  • Pneumokokken
  • Haemophilus influenzae b
  • Meningokokken
  • Pertussis
  • Hepatitis B
  • Polio (inaktivierte Vakzine, IPV)

Lesen Sie dazu auch: Krebskranke brauchen jetzt Grippeschutz Trotz Steroidtherapie kann geimpft werden

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