Präventionsbedarf

Schädel-Hirn-Trauma: Immer mehr Ältere betroffen

Die Ursachen für Schädel-Hirn-Traumata haben sich in den vergangenen 20 Jahren verändert, haben deutsche Forscher herausgefunden. Und: Stürze haben Verkehrsunfälle als häufigste Ursache abgelöst.

Von Joana Schmidt Veröffentlicht:
Stürze stehen inzwischen auf Platz 1 der Ursachen für ein Schädel-Hirn-Trauma.

Stürze stehen inzwischen auf Platz 1 der Ursachen für ein Schädel-Hirn-Trauma.

© Rainer Fuhrmann / stock.adobe.com

Bochum. Jedes Jahr erleiden in Deutschland rund 270.000 Menschen ein Schädel-Hirn-Trauma (SHT). Zunehmend betroffen sind Senioren: Ein Viertel der Patienten ist über 75 Jahre alt, zeigt eine neue Studie der Ruhr-Universität Bochum (BMJ Open 2021; 11: e045771). Auf Platz 1 der SHT-Ursachen stehen Stürze.

Ein Team aus Neurowissenschaftlern um Professor Peter Schwenkreis analysierte im Rahmen der Studie die Entstehung, Therapie und Folgen von SHT. Es wurden mehr als 3500 Patienten einbezogen, die innerhalb von 24 Stunden nach der Verletzung in einer von sieben deutschen Kliniken behandelt worden waren. Die Forscher werteten die Dokumentationsbögen von der Erstversorgung bis zur Rehabilitation aus und führten jeweils nach drei und zwölf Monaten Telefoninterviews durch.

Mehr Männer als Frauen mit SHT

Am häufigsten von SHT betroffen waren Männer in den frühen Zwanzigern sowie zwischen 50 und 60 Jahren und beide Geschlechter ab 75 Jahren. „Dass unter den Älteren Frauen gleichermaßen betroffen sind, könnte auf deren höhere Lebenserwartung zurückzuführen sein“, vermuten Schwenkreis und Kollegen.

Stürze waren die häufigste Ursache, gefolgt von Verkehrsunfällen und Gewalteinwirkung von außen. Vor zwanzig Jahren waren Verkehrsunfälle noch die Nummer eins gewesen. Bei diesen hatten damals am häufigsten PKW-Fahrer ein SHT davongetragen – inzwischen sind es Radfahrer ohne Helm. Die Ursachen unterschieden sich in der aktuellen Studie nach Alter: Bei über 50-Jährigen dominierten Stürze (71 Prozent), während bei unter 50-Jährigen Gewalt von außen am häufigsten war (31 Prozent), dicht gefolgt von Verkehrsunfällen (29 Prozent) und Stürzen (27 Prozent). Bei 14 Prozent der Patienten war Alkohol ein relevanter Faktor, bei 0,3 Prozent illegale Drogen und bei 0,5 Prozent beides.

Viele haben nach einem Jahr noch Symptome

Innerhalb der vergangenen beiden Jahrzehnte nahm die Zahl der kranialen Computertomografien und der Röntgenaufnahmen des Schädels ab. Zudem wurde mehr Patienten eine Rehabilitation angeboten. Obwohl die meisten SHT als mild eingestuft wurden, berichtete ein Drittel der telefonisch befragten Patienten nach zwölf Monaten immer noch über dadurch bedingte Beschwerden.

„Angesichts der Konsistenz der Symptome ist mit einer Spontanheilung möglicherweise nicht zu rechnen, wenn Patienten nach drei Monaten noch Beschwerden haben. Das sollte zu verstärkten diagnostischen und therapeutischen Bemühungen führen“, empfehlen die Forscher um Schwenkreis. Negative Prädiktoren bei mildem SHT waren weibliches Geschlecht, intrakranielle Blutungen und nur 13 oder 14 von 15 Punkten auf der Glasgow-Skala für Bewusstseinsstörungen.

Gezielte Prävention für ältere Menschen

Insgesamt berichten die Forscher über eine deutliche Verschiebung der von SHT Betroffenen hin zur älteren Generation. Senioren seien deutlich anfälliger für Stürze und erleiden so schneller ein SHT als Jüngere. Zudem seien ihre Verletzungen schwerer. „Das erklärt auch, warum wir in dieser Altersgruppe einen Anstieg der durch SHT verursachten Todesfälle verzeichnen“, ergänzen sie.

Deshalb sehen sie bei älteren Menschen auch einen besonderen Bedarf an Prävention. Das könnten Trainingsmaßnahmen zum sicheren Gehen, geschultes Verwenden von Gehhilfen oder das Entfernen von Stolperfallen in der Wohnung sein, schlagen die Forscher vor. Darüber hinaus sei es notwendig, den Schutz von Menschen, die auf dem Rad oder zu Fuß unterwegs sind, im Rahmen der sich anbahnenden Mobilitätswende zu verbessern.

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