HINTERGRUND

Schlaganfallpatienten im Südwesten besonders gut versorgt

Von Marion Lisson Veröffentlicht:

Im Vergleich zum Bundesgebiet sind Schlaganfallpatienten im Südwesten überdurchschnittlich gut versorgt. Das Versorgungskonzept für Schlaganfall-Patienten, das in Baden-Württemberg seit zehn Jahren umgesetzt wird, zeigt offenbar Wirkung. Hausärzte und Kliniker seien dennoch gefordert, die zügige Versorgung dieser Patienten noch zu optimieren, fordert Andreas Vogt, Leiter der Techniker Krankenkasse Baden-Württemberg. So seien zum Beispiel in der Weiterbildung von Haus- und Notärzten verstärkte Anforderungen erforderlich. Hausärzte erfüllten hier eine wichtige Lotsenfunktion.

Daten von 26 000 Behandlungen in 122 Kliniken ausgewertet

Grundlage für die Bewertung von Vogt ist eine Auswertung der "Geschäftsstelle Qualitätssicherung im Krankenhaus" (GeQiK), die bei der Krankenhausgesellschaft Baden-Württemberg angesiedelt ist. Dabei wurden die Schlaganfall-Behandlungen von 26 000 Patienten in 122 Krankenhäusern (davon 51 mit Schlaganfalleinheit) im Jahr 2006 untersucht. Etwa 75 Prozent aller Schlaganfall-Patienten in Baden-Württemberg seien im Jahr 2006 in den Krankenhäusern mit Schlaganfalleinheit behandelt worden, ergab die Auswertung. Jeder fünfte von diesen Patienten wurde in einer Stroke Unit versorgt.

"Basierend auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes lässt sich zudem sagen, dass in den Kliniken Baden-Württembergs nur 6,8 Prozent der wegen eines Hirninfarktes behandelten Patienten sterben", liefert TK-Sprecher Hubert Forster weitere Zahlen. Das sei bundesweit der beste Wert. Der bundesdeutsche Durchschnittswert liege bei 8,4 Prozent. Einige Bundesländer wiesen sogar entsprechend den Zahlen des Statistischen Bundesamtes für 2005 Raten von zehn und 11 Prozent auf.

Ohne Zweifel sei die Schlaganfall-Konzeption ein gesundheitspolitischer Kraftakt, der sich bisher in der Praxis bewährt habe, fasst TK-Chef Andreas Vogt zusammen. Nicht zuletzt das Sozialministerium erhebt mit der Schlaganfallkonzeption seit Jahren den Anspruch, bundesweit eine Vorreiter-Rolle in der Schlaganfallversorgung einzunehmen. "Dennoch sind weitere Anstrengungen notwendig, um die Versorgung in diesem wichtigen Bereich zu optimieren", fordert der Kassenmann dennoch und nennt gleich Beispiele:

Nur 30 Prozent der Patienten nach drei Stunden in der Klinik

Die Hausärzte seien im Jahr 2006 für 37 Prozent der Einweisungen verantwortlich gewesen, der Rettungsdienst für 40 Prozent, so Vogt. Die Zahl der Selbsteinweisungen habe bei etwa 13 Prozent gelegen. "Dies bedeutet, dass die Schlaganfall-Symptome noch zu wenig in der Öffentlichkeit bekannt sind - ansonsten wäre öfter der Rettungsdienst verständigt worden", so der TK-Chef. Eine einheitliche Notruf-Nummer für Baden-Württemberg (112 statt parallel 112 und 19222) wäre in diesem Zusammenhang von Vorteil.

"Nur bei knapp 30 Prozent der Patienten (7683) erfolgte die Aufnahme in die Klinik innerhalb von drei Stunden nach dem Schlaganfall", kritisiert Vogt in diesem Zusammenhang. Patienten, die nach Ablauf dieser Zeit eingeliefert werden, haben deutlich schlechtere Chancen auf eine optimale Therapie - mit möglicherweise fatalen Folgen für ihr weiteres Leben.

Die Sterberate liegt deutlich unter dem Bundesdurchschnitt.

Auch in den Kliniken sei es zu Verzögerungen gekommen. Nur weniger als die Hälfte aller Patienten (43 Prozent), die innerhalb von drei Stunden eingeliefert wurden, erhielten in den ersten 30 Minuten nach Einlieferung eine CT oder MRT. In den Kliniken mit Schlaganfalleinheit lag diese Rate mit 48,4 Prozent zwar etwas höher, aber immer noch unterhalb der 50-Prozent-Grenze - obwohl in den Mindestanforderungen an alle Schlaganfalleinheiten eine "CT binnen 30 Minuten nach Einlieferung" vorgeschrieben ist.

Am 1. April 1998 - also vor rund zehn Jahren - nahmen drei von sieben Schlaganfallzentren (Stroke Units) in Baden-Württemberg den Betrieb auf. Schlaganfalleinheiten müssen bestimmte Mindestvoraussetzungen erfüllen. Dazu gehört die Bereitschaft zur Notfallversorgung rund um die Uhr, die Sicherstellung einer CT binnen 30 Minuten nach Einlieferung, eine ausreichende Zahl an Ärzten und Pflegekräften sowie Krankengymnasten, Logopäden und Ergotherapeuten und mindestens die Versorgung von 200 Patienten pro Jahr. Alle Schlaganfalleinheiten sind dabei verpflichtet, ihre Qualität prüfen zu lassen.

Mit Kliniken, die Qualitätsvorgaben nicht erfüllen, wird von der GeQiK ein "strukturierter Dialog" geführt. Zudem gibt es ein Zertifizierungsverfahren durch die Arbeitsgemeinschaft Schlaganfallstationen Baden-Württemberg e.V. Derzeit sind 21 Kliniken zertifiziert.

FAZIT

Das Versorgungskonzept für Schlaganfall-Patienten, das in Baden-Württemberg seit zehn Jahren umgesetzt wird, zeigt offenbar Wirkung. In den Kliniken Baden-Württembergs sterben nur 6,8 Prozent der wegen eines Hirninfarktes behandelten Patienten. Das ist nach Recherchen der TK bundesweit der beste Wert. Der bundesdeutsche Durchschnittswert liegt bei 8,4 Prozent. Einige Bundesländer weisen nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes für 2005 Raten von zehn und 11 Prozent auf.

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