Lipidsenkung

Schlechte Presse als Risikofaktor

Good news, bad news? Medizin-Schlagzeilen beeinflussen, ob Statine dauerhaft eingenommen oder vorzeitig abgesetzt werden. Das zeigt nun eine neue Studie.

Von Beate Schumacher Veröffentlicht:

KOPENHAGEN. Neue Erkenntnisse zur Lipidsenkung mit Statinen sorgen oft auch außerhalb der Medizin für Schlagzeilen. Nach der ASTEROID-Studie im Jahr 2006 jubilierte "Bild": "Arterienverkalkung ist doch heilbar."

Kritisch äußerte sich dagegen der "Spiegel" infolge einer Cochrane-Analyse zur Primärprävention, der Artikel war betitelt: "Forscher warnen vor zu lockerem Statingebrauch".

Dass solche Meldungen die Einstellung von Patienten zu den Cholesterinsenkern beeinflussen, ist anzunehmen. Untermauert wird dies nun durch eine Registerstudie aus Dänemark.

Danach gehören negative Berichterstattungen zu den Risikofaktoren für das Absetzen einer Statintherapie. Der Behandlungsabbruch ist der Analyse zufolge mit einer erhöhten Rate von Herzinfarkten und kardiovaskulären Todesfällen verbunden.

Abbruch oft kurz nach Verordnung

In die Studie wurden alle Dänen im Alter ab 40 Jahren einbezogen, die zwischen 1995 und 2010 erstmals ein Statin verordnet bekommen hatten (Eur Heart J 2015, online 2. Dezember). Ihre Zahl hatte sich von weniger als 1 Prozent der Bevölkerung im Jahr 1995 auf 11 Prozent im Jahr 2010 gesteigert und belief sich insgesamt auf 674.900 Patienten.

Von ihnen brachen 91.551 (14 Prozent) die Behandlung bereits innerhalb der ersten sechs Monate ab. Die Quote der Frühabbrecher stieg über die Jahre von anfangs 6 Prozent auf zuletzt 18 Prozent.

Fielen negative Nachrichten zu Statinen in die erste Zeit einer Statintherapie, erhöhte das die Wahrscheinlichkeit für das Absetzen (Odds Ratio, OR 1,09).

Die Abbrecherrate stieg außerdem mit jedem Kalenderjahr (OR 1,04) und mit steigenden Statindosierungen (die bekanntermaßen mit einem erhöhten Risiko für muskuläre Nebenwirkungen einhergehen (OR 1,05). Auch Männer, Stadtbewohner und Patienten mit Migrationshintergrund neigten eher dazu, die Therapie frühzeitig zu beenden (OR 1,05, 1,13 und 1,67).

Neutrale Nachrichten haben keine Auswirkungen

Umgekehrt waren positive Presseberichte zu Statinen mit einer geringeren Abbruchwahrscheinlichkeit assoziiert (OR 0,73). Ebenfalls reduziert war das Risiko, wenn die Patienten an einer kardiovaskulären Erkrankung oder einem Diabetes litten (OR 0,73 und 0,91).

Ausgehend von diesen Quotenverhältnissen und der Häufigkeit der jeweiligen Einflussfaktoren schätzen die Studienautoren, dass 1,3 Prozent der Therapieabbrüche in der dänischen Bevölkerung die Folge von negativen Presseberichten sind. Durch hohe Dosierungen werden 3,6 Prozent der Abbrüche begünstigt, 2,5 Prozent durch männliches Geschlecht, 4,2 Prozent durch das Leben in einer Großstadt und 3,7 Prozent durch eine nichtdänische Herkunft.

Dagegen geht ein vermindertes Abbruchrisiko zu 5,3 Prozent auf positive Berichte und zu 9,3 bzw. 1,5 Prozent auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes zurück.

Keinen Zusammenhang mit der Therapietreue fand sich dagegen für neutrale Statinnachrichten, das Alter zu Beginn der Behandlung oder den Bildungsgrad der Patienten.

Prognose deutlich schlechter

Patienten, die ihre Statinbehandlung vorzeitig beenden, haben den dänischen Registerdaten zufolge eine schlechtere Prognose. Während der Nachbeobachtungszeit von median 4,7 und maximal 14 Jahren war ihr Risiko für einen Myokardinfarkt um 26 Prozent und für einen kardiovaskulären Tod um 18 Prozent höher als das von therapietreuen Patienten.

Dies muss allerdings nicht zwingend durch den Therapieabbruch verschuldet sein, wie die Studienautoren Sune Fallgaard Nielsen und B¢rge Gr¢nne Nordestgaard von der Universität Kopenhagen betonen.

Hier könne es auch eine statistische Verzerrung durch den sogenannten "healthy adherer effect" geben, weil weniger kranke Patienten eine Therapie eher beibehalten als kränkere. Sie raten daher, die Ergebnisse entsprechend vorsichtig zu deuten.

Trotzdem sehen die Forscher "einen Bedarf für Protokolle, die das Ziel haben, in der Frühphase einer Statintherapie die Adhärenz zu erhöhen". Besondere Aufmerksamkeit scheint nach ihren Daten geboten, wenn in dieser Zeit Negativschlagzeilen über die Lipidsenker auftauchen.

Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Dr. Iris Dötsch Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologin und Ernährungsmedizinerin hat die Hauptstadtdiabetologinnen, eines neues Netzwerk für Frauen in der Diabetologie, gegründet.

© snyGGG / stock.adobe.com

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen