Tod durch Hautkrebs

Screening rettet weniger Leben als gedacht

Der Nutzen des Hautkrebs-Screenings wurde in der groß angelegten Pilotstudie SCREEN wahrscheinlich überschätzt: Bei den Zahlen zum Rückgang der Sterblichkeit ist es offenbar zu Ungenauigkeiten gekommen.

Von Beate Schumacher Veröffentlicht:
Besteht Hautkrebs-Verdacht? Der Nutzen des Screenings auf verdächtige Hautveränderungen wird möglicherweise überschätzt.

Besteht Hautkrebs-Verdacht? Der Nutzen des Screenings auf verdächtige Hautveränderungen wird möglicherweise überschätzt.

© Rudolf / dpa / Arco Images

ESSEN. Die Ergebnisse der SCREEN-Studie waren ausschlaggebend für die Einführung des bundesweiten Hautkrebs-Screeningprogramms. Im Rahmen der Pilotstudie hatten von Juli 2003 bis Juni 2004 knapp 20 Prozent der Einwohner von Schleswig-Holstein im Alter ab 20 Jahren an einer Reihenuntersuchung auf Hautkrebs teilgenommen.

Als Folge davon wurden deutlich mehr Hauttumoren diagnostiziert als in den Jahren 2001 und 2002. Fünf Jahre nach dem Screening war die Sterberate am malignen Melanom in dem Bundesland deutlich gesunken, im Vergleich zu den Jahren 1998/1999 um 47 Prozent bei den Männern und um 49 Prozent bei den Frauen.

Doch jetzt melden Mediziner von der Universität Essen Zweifel an diesem potenziellen Screening-Erfolg an (Cancer 2015, online 19. Oktober).

Weiter hohe Melanommortalität

Laut Dr. Andreas Stang und Dr. Karl-Heinz Jöckel könnte der Rückgang der Melanomsterblichkeit durch Ungenauigkeiten bei der Feststellung der Todesursache vorgespiegelt worden sein.

Wie aus den Todesursachenstatistiken zu erkennen ist, hat die altersstandardisierte Melanommortalität in Schleswig-Holstein nur bis zum Jahr 2008 abgenommen. Danach ist sie wieder auf das Niveau von vor 2003 angestiegen.

In absoluten Zahlen stellt sich der vorübergehende Rückgang so dar: Im Jahr 2002 starben 43 Männer und 45 Frauen am malignen Melanom, im Jahr 2008 waren es nur 23 Männer und 21 Frauen. Gleichzeitig war aber ein auffälliger und vorübergehender Anstieg bei den Todesfällen mit der ICD-10-Kodierung C76-80 festzustellen.

Die Zahl der bösartigen Neubildungen ungenau bezeichneter, sekundärer und nicht näher bezeichneter Lokalisationen hatte sich im selben Zeitraum von 349 bei den Männern und 356 bei den Frauen auf 480 und 434 erhöht. Ein ähnlicher Gipfel dieser Todesursachen war in keinem anderen Bundesland zu erkennen.

Die Studienautoren vermuten daher, dass sich in Schleswig-Holstein unter den Todesfällen durch bösartige Neubildungen ungenau bezeichneter, sekundärer und nicht näher bezeichneter Lokalisationen auch einige Melanomtote finden könnten.

Wären von 2007 bis 2010 pro Jahr nur 8 bis 35 entsprechende Fehlzuordnungen bei den Frauen und 12 bis 23 bei den Männern vorgekommen, dann würde das laut Stang und Jöckel bereits den vorübergehenden Rückgang in der Melanomsterblichkeit erklären.

Dafür spreche auch die Tatsache, dass die rückläufigen Zahlen bei den Melanomtoten vor allem auf eine Abnahme im nichtstationären Bereich zurückzuführen seien, wo die Todesursachenfeststellung ungenauer sei als im Krankenhaus.

"Programm nicht beenden!"

Anders als in Schleswig-Holstein zeigen die gesamtdeutschen Daten seit dem Jahr 2008, in dem das zweijährliche Screening-Angebot für ab 35-Jährige eingeführt wurde, keinen Rückgang der melanombedingten Todesfälle. Im Gegenteil, die altersadjustierte Mortalität hat sich von 2007 bis 2013 sogar leicht erhöht, bei Männern von 2,6 auf 3,0 und bei Frauen von 1,6 auf 1,7 pro 100.000 Personenjahre.

Trotz dieser "enttäuschenden Ergebnisse" sind die Studienautoren nicht dafür, das Screeningprogramm zu beenden. Notwendig sei aber eine Studie, in der - anders als im SCREEN-Projekt - nicht die Mortalität in der gesamten Population beobachtet, sondern die von Screening-Teilnehmern und -Nichtteilnehmern über einen längeren Zeitraum verglichen werde.

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