Psychiater

Stärkerer Fokus auf Prävention!

Psychiater nehmen außer der Versorgung ihrer Patienten auch die Prävention ins Visier. Hierzu gehöre etwa, Haus- und Fachärzte für Belastungen ihrer Patienten im beruflichen Umfeld zu sensibilisieren, hieß es auf dem DGPPN-Kongress.

Veröffentlicht:
Die Psychiater wollen das Thema Prävention höher hängen.

Die Psychiater wollen das Thema Prävention höher hängen.

© Gabriele Rohde / fotolia.com

BERLIN. Präventionschancen besser nutzen und die Fehlverordnung verringern - dafür wollen sich Psychiater, Psychotherapeuten und Nervenärzte in den kommenden Jahren verstärkt einsetzen.

2013 könnte es zu einer deutlichspürbaren Verschlechterung der stationären Versorgung psychisch Kranker kommen. Darauf haben Fachärzte beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) hingewiesen.

Nach dem abersten Januar geltenden neuen Entgeltsystem, das sich an Fallpauschalen anlehnt, gebe es zunehmenden ökonomischen Druck, schwer psychisch Kranke früh aus der Klinik zu entlassen, sagte der künftige Präsident der DGPPN, Professor Wolfgang Maier aus Bonn.

Analog zur den blutigen Entlassungen in der Chirurgie sei dann in der Psychiatrie mit der vorzeitigen Ausweisung seelisch noch blutender Patienten aus Kliniken zu rechnen.

Maier sieht es daher als einen Schwerpunkt der DGPPN, in den nächsten Jahren der Fehl- und Mangelversorgung von Patienten mit psychischen Krankheiten und Störungen entgegen zu wirken.

Häufiger Grund für Frühberentung

Eine eklatante Fehlversorgung sieht der Psychiater auch im ambulanten Bereich. Er kritisierte, dass niedergelassene Psychiater und Nervenärzte zwar 65 Prozent aller ambulanten Behandlungen bewältigten, dafür aber nur 23 Prozent der ambulanten psychiatrischen Ausgaben zur Verfügung stehen.

Dagegen würden für psychologischen Psychotherapeuten für 17 Prozent der Fälle 44 Prozent der Ausgaben beanspruchen. Durch ökonomische Fehlanreize sei es folglich zu eine Überversorgung von Patienten mit leichten psychischen Störungen und zu einer Mangelversorgung von solchen mit schweren Erkrankungen gekommen.

Ein weiterer Schwerpunkt ist für die DGPPN die Prävention. So ist die Zahl der jährlichen Frühberentungen aufgrund psychischer Beschwerden zwischen 2006 und 2010 dramatisch von etwa 50.000 auf 70.000 gestiegen.

Eine psychiatrische Diagnose ist inzwischen bei knapp 40 Prozent der Grund für ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Berufsleben und mit großem Abstand zu anderen Diagnosegruppen die häufigste Ursache bei der Frühberentung.

Da manifeste und lange andauernde psychische Störungen häufig chronifizieren und eine vollständige Remission erschweren, sei die Prävention umso wichtiger, sagte Maier. Hierzu gehöre etwa, Haus- und Fachärzte für Belastungen ihrer Patienten im beruflichen Umfeld zu sensibilisieren.

Werden psychische Störungen rechtzeitig erkannt, lassen sich zudem ein schwerer Verlauf und eine Berufsunfähigkeit oft vermeiden.

Defizite bei der Forschung

Diskussions- und Handlungsbedarf sieht Maier weiterhin bei der Stärkung der Patientenautonomie sowie bei der ärztlichen Verantwortung. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs, wonach für eine medizinische Zwangsbehandlung die rechtliche Grundlage fehle, habe zu einer Rechtsunsicherheit geführt.

Maier begrüßte den Gesetzentwurf zur Neuregelung der Zwangsbehandlung, den die Regierung vor kurzem vorgelegt hatte, er enthalte wesentliche Forderungen der DGPPN.

Man werde die Gesetzgebungsverfahren in diesem Feld kritisch begleiten. Letztlich so Maier, müssen die Psychiater "für ihr Fach eine Behandlungsethik entwickeln".

Nötig seien Leitlinien sowohl für die Zwangsbehandlung als auch für eine gemeinsam mit den Patienten entworfene Therapiestrategie.

Defizite sieht Maier bei der Förderung der psychiatrischen Forschung. Sie sei in Deutschland "äußerst miserabel".

Es gibt ein Deutsches Zentrum für Krebsforschung, für Neurodegenerative Erkrankungen, für Diabetesforschung, Herzkreislaufforschung, Infektions- sowie Lungenforschung, aber keines zur Erforschung psychischer Krankheiten.

"Wir müssen einiges tun, damit die nächste Bundesregierung in dieser Frage eine andere Einstellung gewinnt", so Maier. (mut)

www.dgppn.de

Quelle: www.springermedizin.de

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Zentralnervöse und psychiatrische Nebenwirkungen

Promethazin bei Kindern unter sechs Jahren nun kontraindiziert

Kognitive Funktionen bei Gewichtsabnahme

Adipositas: Gewichtsverlust könnte das Gehirn verjüngen

Systematisches Review und Metaanalyse

Antidepressiva absetzen: Welche Strategie ist am wirksamsten?

Das könnte Sie auch interessieren
Was die MS-Behandlung auszeichnet

© Suphansa Subruayying | iStock

Lebensqualität

Was die MS-Behandlung auszeichnet

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

© AscentXmedia | iStock

Lebensqualität

Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Prognostizierbares Therapieansprechen?

© Stockbyte | gettyimages (Symbolbild mit Fotomodellen)

Antidepressiva

Prognostizierbares Therapieansprechen?

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Depression und Schmerz gehen häufig Hand in Hand

© brizmaker | iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Depressionsscreening

Depression und Schmerz gehen häufig Hand in Hand

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
7-Jahres-Daten belegen günstiges Nutzen-Risiko-Profil von Ofatumumab

© Vink Fan / stock.adobe.com

Aktive schubförmige Multiple Sklerose

7-Jahres-Daten belegen günstiges Nutzen-Risiko-Profil von Ofatumumab

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg

ADHS im Erwachsenenalter

Wechseljahre und ADHS: Einfluss hormoneller Veränderungen auf Symptomatik und Diagnose

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MEDICE Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG, Iserlohn
Neue Ansätze zur Behandlung seltener Krankheitsbilder

© Dr_Microbe / stock.adobe.com

Entwicklungen in der Therapie neuromuskulärer Erkrankungen

Neue Ansätze zur Behandlung seltener Krankheitsbilder

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Krebs in Deutschland

Bei zwei Krebsarten nahm die Sterblichkeit am stärksten ab

Lesetipps
Die Luftbelastung in Innenräumen mit Reinigungsprodukten betrifft jede Person. Sie beeinflusst unsere Lungenfunktion, und das lebenslang. Diese Gefahr wird unterschätzt. So die Meinung einer Pneumologin aus Italien.

© natali_mis / stock.adobe.com

Verschmutzte Luft

Was Reinigungsmittel in der Lunge anrichten können