Virtueller ASCO

Telemedizin: Chance, bei CoV-2-positiven Krebskranken Klinikaufnahmen zu vermeiden

Von Moritz Borchers Veröffentlicht:
Zwei- bis viermal pro Tag Symptome und Daten wie die Sauerstoffsättigung via Laptop übermitteln: Davon können SARS-CoV-2-infizierte Krebskranke profitieren. (Symbolbild mit Fotomodell)

Zwei- bis viermal pro Tag Symptome und Daten wie die Sauerstoffsättigung via Laptop übermitteln: Davon können SARS-CoV-2-infizierte Krebskranke profitieren. (Symbolbild mit Fotomodell)

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Alexandria. Werden SARS-CoV-2-positive ambulante Krebspatienten mit einem e-Health-Programm aus der Ferne betreut, kann das Krankenhauseinweisungen vermeiden. Das legen zumindest die Pandemieerfahrungen der amerikanischen Mayo Clinic nahe.

Durch ein sogenanntes RPM(„remote patient monitoring“)-Programm habe man das relative Risiko für Krankenhauseinweisungen bei Krebspatienten, die positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden, signifikant um fast 80 Prozent reduzieren können, berichtete Dr. Joshua Pritchett, von der Mayo Clinic in Rochester, Minnesota, beim virtuellen Jahreskongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO), der noch bis zum 8. Juni stattfindet. Die Befunde wurden zudem zeitgleich publiziert (JCO Oncol Pract. 2021; online 4. Juni).

Daten wurden in elektronischer Patientenakte integriert

Zum RPM-Programm gehörte es, Krebspatienten, die SARS-CoV-2-positiv waren und mindestens einen weiteren Risikofaktor für einen schweren COVID-19-Verlauf aufwiesen (darunter zum Beispiel Alter > 65, aktive Krebstherapie, Immundefizienz), ein Tablet auszuhändigen, das via Bluetooth mit Diagnostikkomponenten gekoppelt war. Mit diesem Set sollten die Betroffenen zweimal täglich unter anderem Symptome, Blutdruck, Temperatur und Sauerstoffsättigung erfassen, immunkompromittierte Patienten viermal täglich. Die Daten wurden kontinuierlich in eine elektronische Patientenakte integriert, auf deren Basis ein automatisiertes System Alarm schlug, wenn präspezifizierte Werte unter- bzw. überschritten wurden. Diese Alarme liefen zentral bei spezialisierten RPM-Pflegekräften auf, die nach Bedarf weitere Maßnahmen anstoßen und gegebenenfalls lokale Teams zur weiteren Betreuung involvieren konnten.

Die unter dem RPM-Programm beobachtete relative Risikoverringerung für eine Hospitalisierung in Höhe von 78 Prozent (95%-Konfidenzintervall 54–102 %; p = 0,0002) bezog sich auf den Vergleich mit SARS-CoV-2-positiven Krebspatienten, die zwar auch an einem von verschiedenen Mayo-Clinic-Standorten in den USA ambulant behandelt wurden, nicht aber am RPM teilgenommen hatten (n = 116; Patienten unter RPM: n = 71). Mussten Patienten, die mittels RPM betreut wurden, schließlich doch noch in ein Krankenhaus aufgenommen werden, sei der stationäre Aufenthalt kürzer gewesen, die Betroffenen hätten seltener auf die Intensivstation verlegt werden müssen und seien auch seltener im Krankenhaus gestorben, so Pritchett. Diese Effekte nach der Hospitalisierung hätten aber keine statistische Signifikanz erreicht, gab der Onkologe zu bedenken.

„RPM-Ansatz könnte das Potenzial haben, die Versorgung Krebskranker zu bereichern“

Weil es sich bei der Studie nicht um eine randomisierte kontrollierte klinische Studie handelte, hatten er und sein Team versucht, für den Vergleich der beiden Kohorten (RPM vs. Nicht-RPM) etwaige Verzerrungen zu berücksichtigen. Dafür haben sie eine sogenannte Propensity-Score-Gewichtung vorgenommen, in die 15 Variablen eingingen, die mit einem ungünstigen COVID-19-Verlauf assoziiert sind. Trotzdem bleiben die retrospektive Natur der Studie und die eher kleine Zahl an Patienten (n = 187), die zudem nur von einer Klinik (Mayo Clinic) stammen, ein gewisser Nachteil, wie auch Pritchett einräumt. Dennoch geht er davon aus, dass der RPM-Ansatz das Potenzial haben könnte, auch losgelöst von der SARS-CoV-2-Pandemie die Versorgung von Krebspatienten zu bereichern.

Zu dieser Einschätzung passen auch die Ergebnisse einer weiteren RPM-Studie, die beim ASCO präsentiert wurden. In dieser Untersuchung waren SARS-CoV-2-positive Krebspatienten des Memorial Sloan Kettering Cancer Center (MSKCC) in New York zu ihren Erfahrungen mit dem hauseigenen RPM befragt worden. Bei den meisten Patienten habe das RPM gemäß subjektiver Einschätzung dazu geführt, dass sie mit COVID-19-Symptomen besser umgehen konnten, mehr mit ihrem Behandlungsteam verbunden waren und Besuche in der Notaufnahme vermeiden konnten, berichtete Dr. Bobby Daly vom MSKCC. Auch er sieht im RPM-Ansatz Potenzial über die Pandemie hinaus.

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