Therapie beim metastasierten Kolonkarzinom ist im Umbruch

Die Zahl der Chemotherapie-Optionen für Patienten mit metastasiertem Kolonkarzinom hat stark zugenommen. Antikörper gegen den endothelialen Gefäßwachstumsfaktor-Rezeptor - zum Beispiel Bevacizumab - erfordern jetzt schon wieder ein Umdenken. In Berlin diskutierten Experten den State-of-the-art - und machten klar, daß es sich dabei nur um einen Zwischenstand handeln kann.

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Philipp Grätzel von Grätz

Es ist noch nicht so lange her, daß die Behandlung mit 5-Fluorouracil und Leukovorin (5-FU / LV) die einzig etablierte Chemotherapie-Option für Patienten mit metastasiertem Kolonkarzinom war. Das hat sich in den vergangenen Jahren deutlich geändert, wie Professor Richard Goldberg von der Universität des US-Bundesstaats North Carolina betonte.

Schon der Umstieg von der Bolusinjektion von 5-FU auf die kontinuierliche Infusion sei ein Fortschritt gewesen. Ein entscheidender Schritt vorwärts waren dann die modernen Kombinationstherapien, in denen 5-FU / LV entweder mit Irinotecan (FOLFIRI) oder mit Oxaliplatin (FOLFOX) kombiniert wird. "Sowohl Einzelstudien als auch Metaanalysen zeigen klar, daß die Kombinationstherapien zu besseren Ergebnissen führen als die Behandlung mit Einzelsubstanzen", so Goldberg.

Die Frage "Oxaliplatin oder Irinotecan?" scheint beantwortet

Die Frage "Oxaliplatin oder Irinotecan?" hält der Experte beim metastasierten Kolonkarzinom für beantwortet. Beide Strategien hätten in diesem Setting ihre Wirksamkeit belegt, so daß die Entscheidung individuell getroffen werden könne. Goldberg macht sie unter anderem von den unerwünschten Wirkungen abhängig, die von den Patienten als unterschiedlich belastend empfunden werden. Patienten, die ein Irinotecan-haltiges Schema bekommen, neigen eher zu Durchfällen und Haarausfall, Patienten mit Oxaliplatin-haltiger Therapie haben dagegen eher Probleme mit Neutropenien und sensorischen Neuropathien.

Die "reinen" Kombinationstherapien à la FOLFOX oder FOLFIRI könnten ohnehin bald der Vergangenheit angehören, wie Dr. Herbert Hurwitz vom Duke University Medical Center in Durham im US-Bundesstaat North Carolina klarmachte. Hurwitz hat jene randomisierte, kontrollierte Phase-III-Studie konzipiert, die im vergangenen Jahr nicht nur in der Fachpresse für Schlagzeilen sorgte (NEJM 350, 2004, 2335).

Die Wirksamkeit einer Kombination aus 5-FU, Leukovorin und Irinotecan in der Erstlinientherapie bei Patienten mit metastasiertem Kolonkarzinom wird durch die Zugabe des Antikörpers Bevacizumab noch einmal deutlich erhöht. Bevacizumab ist ein humanisierter, monoklonaler Antikörper gegen den Rezeptor für den vaskulären Gefäßwachstumsfaktor VEGF. Es handelt sich also um eine Antiangiogenese-Strategie.

Verglichen mit einer Behandlung, die ausschließlich aus Irinotecan, 5-FU und Leukovorin bestand, konnte durch die Zugabe von Bevacizumab das mediane Überleben von 15,6 auf 20,3 Monate gesteigert werden (p < 0,001). Das mediane, progressionsfreie Überleben lag in der Kontrollgruppe bei 6,2 Monaten. Wurde Bevacizumab dazugegeben, waren es 10,6 Monate (p < 0,001).

"Bemerkenswert war vor allem, daß der Nutzen in sämtlichen vorab definierten Subgruppen nachweisbar war", so Hurwitz in Berlin. Darunter waren unterschiedliche Altersstufen, beide Geschlechter, verschiedene ethnische Gruppen und Patienten mit unterschiedlichen Laborkonstellationen zu Behandlungsbeginn.

Auch für die zweite theoretisch mögliche Variante, die Kombination eines Oxaliplatin-haltigen Schemas mit Bevacizumab, gibt es bereits erste positive Studienergebnisse in der Erst- und Zweitlinienbehandlung, allerdings noch nicht aus einer Großstudie, berichtete Hurwitz. Ähnliches gelte für Kombinationstherapien, die den monoklonalen Antikörper Cetuximab enthalten, der an den endothelialen Wachstumsfaktor-Rezeptor EGF bindet.

Viele Blicke dürften sich in den nächsten Jahren auf die kürzlich angelaufene U. S. Intergroup-Studie richten, die Goldberg in Berlin vorstellte. Die behandelnden Ärzte entscheiden sich in dieser Studie zwischen einer Behandlung nach dem FOLFOX- oder FOLFIRI-Regime.

Ist diese Entscheidung getroffen, werden die Patienten randomisiert in einen von jeweils drei Armen eingeteilt und erhalten entweder Bevacizumab, Cetuximab oder beide Antikörper zusammen zusätzlich zur initial gewählten Kombinationstherapie. Die Ergebnisse dieser Studie dürften zumindest für eine Zeitlang den neuen Standard setzen.

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