Auch im Praxisalltag

Weniger kardiovaskuläre Ereignisse bei Therapie mit SGLT2-Hemmern

Auch im "wirklichen Leben" ist eine antidiabetische Therapie mit SGLT2-Hemmern im Vergleich zu anderen Antidiabetika mit einem deutlich niedrigeren Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse assoziiert. Das ergab die Analyse von "Real-world"-Daten aus Skandinavien.

Peter OverbeckVon Peter Overbeck Veröffentlicht:
In den Nieren hemmen die SGLT2-Hemmer die Glukose-Rückresorption.

In den Nieren hemmen die SGLT2-Hemmer die Glukose-Rückresorption.

© psdesign1 / Fotolia

Antidiabetika aus der Wirkstoffgruppe der SGLT2-Hemmer haben jüngst auch in kardiologisch interessierten Fachkreisen für Aufregung gesorgt. Denn in den Studien EMPA-REG-OUTCOME und CANVAS konnte für Empagliflozin und Canagliflozin gezeigt werden, dass beide SGLT2-Hemmer bei Patienten mit Typ-2-Diabetes nicht nur den Blutzuckerspiegel, sondern auch das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse deutlich reduzieren.

Dieser prognostische Nutzen ist primär bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und einem erhöhten kardiovaskulären Risiko unter Beweis gestellt worden. Ob die in beiden Studien erzielten Ergebnisse auch auf andere SGLT2-Hemmer übertragbar sind und ob auch Patienten mit niedrigerem Risiko davon in kardiovaskulärer Hinsicht profitieren, ist noch unklar.

Blick in die reale Welt

In der Studie CVD-REAL sollte darüber auf Basis von "Real-world"-Daten mehr in Erfahrung bringen. Dafür wurden Register-Daten von Patienten mit Typ-2-Diabetes aus sechs Ländern herangezogen (USA, Schweden, Norwegen, Dänemark, Großbritannien und Deutschland). Verglichen wurden mehr als 150.000 neu auf SGLT2-Hemmer eingestellte Patienten mit der gleichen Zahl von mit anderen Antidiabetika behandelten Patienten. Beide Gruppen waren bezüglich wichtiger Merkmale wie Alter, Geschlecht, Begleiterkrankungen und Basistherapien angepasst worden ("Propensity Matching"). Ergebnis: Eine Therapie mit diversen SGLT2-Hemmern war im Vergleich zu anderen Antidiabetika mit einem signifikant niedrigeren Risiko für Klinikeinweisungen wegen Herzinsuffizienz und einer signifikant niedrigeren Mortalität assoziiert.

In einer CVD REAL Nordic getauften Substudie sind jetzt exklusiv die "Real World"-Daten der in den skandinavischen Ländern Schweden, Norwegen und Dänemark erfassten Patienten genauer analysiert worden (Lancet Diab Endocrinol 2017, online 3. August). Die Vielzahl der in diesen Ländern eingerichteten und gut funktionierenden landesweiten Registern bietet besonders gute Voraussetzungen für diese Art der Analyse. Die Grundlage bildeten diesmal die Daten von mehr als 90.000 Patienten mit Typ-2-Diabetes, denen zwischen 2012 und 2015 Antidiabetika neu verordnet worden waren ("new users"). Im Verhältnis 1 : 3 wurden 22.830 Patienten, denen ein SGLT2-Hemmer verschrieben worden war, 68.490 "gematchte" – also weitgehend merkmalsgleiche – Patienten gegenübergestellt, die auf ein anderes Antidiabetikum eingestellt worden waren. Die mittlere Follow-up-Dauer betrug 0,9 Jahre. Der mit Abstand am häufigsten eingenommene SGLT2-Hemmer war Dapagliflozin (94 Prozent), es folgten Empagliflozin (5 Prozent) und Canagliflozin(1 Prozent). Bei 25 Prozent der Patienten bestand bereits eine kardiovaskuläre Erkrankung. Das kardiovaskuläre Risiko ist demnach in dieser "Real-world"-Population deutlich niedriger als in den Studien EMPA-REG-OUTCOME und CANVAS.

Gleichwohl schienen SGLT2-Hemmer von Vorteil gewesen zu sein. Wie die Autoren um Johan Bodegård aus Oslo berichten, war die Behandlung mit diesen Wirkstoffen im Vergleich zu anderen Antidiabetika mit einer relativen Abnahme der kardiovaskulären Mortalität um fast 50 Prozent assoziiert (Hazard Ratio 0·53). Das Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse war relativ um 22 Prozent (HR 0·78) und das Risiko für klinische Ereignisse infolge Herzinsuffizienz um 30 Prozent niedriger (HR 0·70). Alle Unterschiede waren hochsignifikant (jeweils p<0,0001). Der mit SGLT2-Hemmern einhergehende Vorteil einer niedrigeren Zahl von kardiovaskulären Todesfällen und Ereignissen war im Übrigen unabhängig davon, ob bereits eine manifeste Herz-Kreislauferkrankung vorlag oder nicht.

Mit Blick auf nicht tödliche Myokardinfarkte und Schlaganfälle ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zugunsten von SGLT2-Hemmern, die allerdings im Vergleich zu den anderen Antidiabetika mit einem signifikant niedrigeren Risiko für schwere Hypoglykämien assoziiert waren.

Klasseneffekt noch nicht bewiesen

Nach Ansicht der Studienautoren sprechen die Ergebnisse ihrer "Real-world"-Analyse für einen möglichen Klasseneffekt der SGLT2-Hemmer in puncto kardiovaskuläre Risikoreduktion. Der definitive Beweis steht allerdings noch aus. Methodische Limitierungen der aktuellen Analyse ergeben sich etwa aus ihrem retrospektiven Charakter.

Zur weiteren Klärung könnte nicht zuletzt die Studie DECLARE-TIMI-58 beitragen. Darin wird mit Dapagliflozin eben jener SGLT2-Hemmer klinisch geprüft, der in der aktuellen "Real-world"-Analyse bei den Verordnungen dominierte. In DECLARE-TIMI-58 wird bei 17.150 Teilnehmern mit Typ-2-Diabetes und kardiovaskulären Erkrankungen (Sekundärprävention) oder multiplen Risikofaktoren (Primärprävention untersucht, ob sich mit Dapagliflozin die Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse (Herztod, Herzinfarkt, ischämischer Schlaganfall) reduzieren lässt. Ergebnisse hat AstraZeneca jetzt bereits für 2018 statt bisher für 2019 angekündigt.

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