Forschung

Wie Infekte mit Viren chronisch werden

Forscher haben möglicherweise einen Ansatz für neue Therapien bei Virusinfektionen entdeckt - auch bei einer Infektion mit HIV.

Veröffentlicht:

BONN. Manche Virusinfektionen, etwa die mit HIV, neigen dazu, chronisch zu werden. Bei den Betroffenen reicht die Immunantwort nicht aus, um das Virus dauerhaft zu eliminieren. Forscher der Universität Bonn haben nun mit Kollegen der Uni Köln und der TU München einen Immunfaktor identifiziert (Nature Immunology 2016, online 7. März), der bei der Chronifizierung von Bedeutung ist, teilt die Universität Bonn mit. Ihre Ergebnisse machten auch Hoffnung auf neue Therapieansätze.

Dass es bei einer HIV-Infektion nicht gelingt, den Erreger wieder loszuwerden, liegt unter anderem daran, dass das Virus T-Helferzellen attackiert und zerstört, oder zumindest deren Funktion stört: Sie schütten nicht wie normalerweise bei einer Infektion Entzündungs-Botenstoffe aus, durch die T-Killerzellen aktiviert werden.

Die Forscher hätten jetzt entdeckt, dass bei chronischer Entzündung die Immunfunktion der T-Helferzellen durch verschiedene Signalwege unterbunden wird, heißt es in der Mitteilung. Diese Signalwege wiederum würden augenscheinlich durch ein einzelnes Molekül gesteuert - den Tumornekrosefaktor (TNF). Dieser Faktor scheint für die schwache Immunantwort verantwortlich zu sein.

"Wir haben Mäuse untersucht, die unter einer der HIV Infektion ähnlichen chronischen Virusinfektion litten, und bei ihnen das TNF-Molekül inaktiviert", wird Dr. Marc Beyer vom Life and Medical Sciences-Institut der Uni Bonn zitiert. "Die T-Helferzellen arbeiteten daraufhin wieder normal. Nach zehn Tagen hatten die Tiere das Virus komplett eliminiert; sie waren gesund."

Paradoxerweise bewirkt TNF bei akuten Virus-Attacken genau das Gegenteil: Er bringt das Immunsystem erst so richtig auf Hochtouren und sorgt zudem für die Apoptose Virus-befallener Zellen. "Bei einer akuten Infektion werden daher sehr schnell große Mengen TNF gebildet", sagt Dr. Zeinab Abdullah vom Institut für Experimentelle Immunologie am Uniklinikum Bonn.

Bei chronischen Infektionen schüttet der Körper dagegen über lange Zeit geringe Mengen TNF aus. Das scheint dazu zu führen, dass sich die T-Helferzelle gewissermaßen abschaltet, so die Uni Bonn in ihrer Mitteilung. Die Forscher vermuten, dass es sich dabei um einen Schutzmechanismus handelt. Eine dauerhafte starke Immunreaktion kann nämlich auch gesundes Körpergewebe zerstören - mit lebensbedrohlichen Folgen.

TNF könnte als eine Art Notbremse dienen, die das verhindert. Was der Tumornekrosefaktor auf molekularer Ebene genau bewirkt, ist noch weitgehend unbekannt. Die beteiligten Wissenschaftler wollen dieser Frage nun im Detail nachgehen.Die Ergebnisse eröffneten mittelfristig möglicherweise neue Therapie-Optionen. So sollen ja TNF-Blocker verhindern, dass Abwehrzellen den eigenen Körper attackieren. "Wir wollen unter anderem untersuchen, was diese Medikamente in Rheuma-Patienten bewirken, die zusätzlich unter einer chronischen Virus-Infektion leiden", sagt Beyer. (eb)

Mehr zum Thema

Interview

Wie toxische Männlichkeit der Gesundheit von Männern schadet

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Lesetipps
Neue Hoffnung für Patienten mit Glioblastom: In zwei Pilotstudien mit zwei unterschiedlichen CAR-T-Zelltherapien blieb die Erkrankung bei einigen Patienten über mehrere Monate hinweg stabil. (Symbolbild)

© Richman Photo / stock.adobe.com

Stabile Erkrankung über sechs Monate

Erste Erfolge mit CAR-T-Zelltherapien gegen Glioblastom

Die Empfehlungen zur Erstlinientherapie eines Pankreaskarzinoms wurden um den Wirkstoff NALIRIFOX erweitert.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert