Immunzellen des Gehirns

Wie Mikroglia auf Alkohol reagiert und so die Sucht fördert

Chronischer Alkoholkonsum führt im Gehirn zu einer Interaktion zwischen Nerven- und Immunsystem, die eine Suchtentwicklung fördert. Den zugrundeliegenden Mechanismus haben Forscher jetzt aufgedeckt.

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Alkohol verändert beim Menschen in der grauen Hirnsubstanz die Form und Struktur des Extrazellularraumes. Dies befördert über die Zeit eine Suchtentwicklung.

Alkohol verändert beim Menschen in der grauen Hirnsubstanz die Form und Struktur des Extrazellularraumes. Dies befördert über die Zeit eine Suchtentwicklung.

© crabshack photos / stock.adobe.com

Mannheim. Wer Alkohol konsumiert, weiß in der Regel, dass zu viel des Guten süchtig machen kann. Was dabei im Gehirn passiert, ist aber weiterhin nicht klar.

Ein Forscherteam aus vier europäischen Ländern unter Beteiligung des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim hat nun über einen bisher unbekannten Mechanismus der Alkoholwirkung berichtet (Science Advances 2020; online 24. Juni).

Die Forscher beobachteten, dass Alkohol sowohl beim Menschen als auch bei Versuchstieren in der grauen Hirnsubstanz die Form und Struktur des Extrazellularraumes (EZR) verändert. Sie führen dies auf die Aktivierung von spezifischen Immunzellen des Gehirns, der Mikroglia, zurück, heißt es in einer Mitteilung des ZI.

Immunzellen des Gehirns schrumpfen

Der EZR besteht bekanntlich aus Hohlräumen und Kanälen, die sich zwischen Nerven- und Gliazellen sowie deren vielen Fortsätzen bilden. Zudem ist der EZR mit Flüssigkeit gefüllt, in der viele Substanzen zirkulieren, die für verschiedene physiologische Prozesse notwendig sind.

„Nach chronischer Alkoholexposition reagieren die Immunzellen des Gehirns, sie schrumpfen und ziehen ihr dichtes Geflecht aus Fortsätzen zurück. Durch den Wegfall von Barrieren ändert sich die Geometrie des EZR und es ergeben sich neue Diffusionswege. Viele Botenstoffe, wie zum Beispiel das für das Belohnungslernen wichtige Dopamin, verteilen sich über das Volumen des EZR. Die erhöhte Diffusion kann ihre Aktivität deutlich beeinflussen“ wird Dr. Santiago Canals vom Instituto de Neurosciencias in Alicante/Spanien in der Mitteilung zitiert.

Er ist gemeinsam mit Professor Wolfgang Sommer, Institut für Psychopharmakologie und Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin am ZI, für die Studie verantwortlich.

Viele Kommunikationsprozesse im Hirn werden beeinflusst

Wenn die Diffusion im EZR erhöht ist, dann steigt auch die sogenannte Volumentransmission. Diese ist eine besondere Art der Signalübertragung im Gehirn. Sie unterscheidet sich von der üblichen Punkt-zu-Punkt-Kommunikation über Synapsen durch das gleichzeitige Erreichen vieler Kommunikationselemente über die in den EZR freigesetzten Neurotransmitter.

„Erhöhte Diffusion im EZR und Volumentransmission mögen als sehr unspezifische Wirkmechanismen für eine Droge erscheinen. Dadurch werden aber eine Vielzahl von Kommunikationsprozessen im Gehirn beeinflusst“, erläutert Sommer in der Mitteilung.

„Die in unserer Studie beschriebenen Interaktionen zwischen Nerven- und Immunsystem bieten einen Erklärungsansatz, wie Alkohol, trotz anfänglich recht schwacher akuter Effekte auf das Belohnungssystem, über die Zeit Anpassungsreaktionen auslöst, welche seine Wahrnehmung und seinen Konsum begünstigen sowie das Verlangen nach der Droge steigern, mit anderen Worten eine Suchtentwicklung befördern,“ ergänzt der Forscher aus Mannheim. (eb)

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