Kopfschmerzen

Wie die Corona-Pandemie die Migräne-Therapie verändert hat

Viele Migräne-Patienten sind bislang recht gut durch die Corona-Pandemie gekommen. Doch im Umgang mit ihnen hat sich im Pandemie-Jahr viel verändert, berichtet die Neurologin Dr. Astrid Gendolla.

Von Thomas Meißner Veröffentlicht:
Migräne-Therapie per Videosprechstunde: So bleibt der Kontakt zum Patienten erhalten (Symbolbild).

Migräne-Therapie per Videosprechstunde: So bleibt der Kontakt zum Patienten erhalten (Symbolbild).

© agenturfotografin / stock.adobe.

Essen. Bis zu 70 Prozent ihrer Sprechstunde hält Dr. Astrid Gendolla, niedergelassene Neurologin in Essen, derzeit per Video ab. Viele ihrer Patienten haben Migräne oder andere Kopfschmerzen. Aus Sicherheitsgründen haben Gendolla und ihr Praxisteam die Videosprechstunde eingeführt – und die hat sich als recht praktikabel erwiesen.

„Dank des Internets haben wir den Kontakt zu unseren Patienten nicht verloren“, sagt sie im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“ aus Anlass des diesjährigen Deutschen Schmerz- und Palliativtags. Allerdings mussten sich alle Beteiligten erst an die Umstände gewöhnen.

„Wir arbeiten ja viel mit Übertragung und Gegenübertragung“, erklärt die Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin e. V. (DGS). Über das Internet mit Gefühlen zu arbeiten und diese wahrzunehmen, müsse man erst üben. Man merke den Menschen an, dass sich ihre Lebensrealität verändert habe. Vieles was selbstverständlich gewesen ist, sei verloren gegangen.

Mehr Migräne? Nicht unbedingt!

Andererseits: „Wir hätten angenommen, dass sich viele Kopfschmerzpatienten deutlich verschlechtern, dass die Attackenfrequenz ansteigt.“ Doch das scheint nicht eingetreten zu sein. Migränepatienten sind resilient, wenn sie gut gelernt haben, mit der Erkrankung umzugehen.

Kindern und Jugendlichen mit Migräne hat das Homeschooling einen Stressfaktor genommen. „Sie müssen nicht morgens um acht Uhr in der Schule sitzen und können sich ihre Zeit besser einteilen“, so eine weitere Erfahrung von Gendolla. Selbst Kopfschmerzpatienten mit psychischen Komorbiditäten wie Angst und Depression seien erstaunlich stabil geblieben, zumindest solange im Familienkreis keine schweren Erkrankungen oder Todesfälle aufgetreten seien.

Fatigue-Syndrom mit Kopfweh

„Wir sehen aber auch eine Gruppe von Patienten, die nach überstandener COVID-19-Erkrankung noch immer unter Luftnot leiden, die sich nicht objektivieren lässt und die dann wegen Verdachts auf psychogene Beschwerden zu uns überwiesen werden.“ Bei ihnen bestehe oft ein Fatigue-Syndrom mit Müdigkeit, Muskelschmerzen und auch Kopfschmerzen.

Als günstig für einige Patienten mit schwerer Migräne, die einer medikamentösen Prophylaxe bedürfen, hat sich die Einführung der CGRP (Calcitonin Gene-related Peptide)-Antikörper vor Pandemie-Ausbruch erwiesen. Gendolla: „Jene Migränepatienten, die bereits vor der Pandemie häufige Attacken hatten, kommen mit diesen Medikamenten gut zurecht.“

Bei Migräne-Patienten, die vorher weniger stark betroffen waren und noch keine medikamentöse Prophylaxe hatten, sei dagegen eine zunehmende Somatisierung zu beobachten. Einige COVID-19-Patienten, die eine intensivmedizinische Behandlung hinter sich haben, litten später zum Teil unter Spannungskopfschmerzen, Müdigkeit und Muskelschmerzen.

Kopfschmerz häufiges Symptom bei COVID-19

International liegen inzwischen eine Reihe von Publikationen über das Auftreten von Kopfschmerzen im Rahmen von COVID-19-Erkrankungen vor. Insgesamt sei Kopfschmerz eines der häufigsten neurologischen Symptome bei mit SARS-CoV-2-Infizierten, berichten Dr. Amir Soheil Tolebeyan von der Yale School of Medicine in New Haven, Connecticut, und Kollegen in einem Review (Headache 2020; 60:2131-2138). Die Prävalenz-Angaben in den Berichten schwanken mit 6 bis 71 Prozent erheblich. Kopfschmerz könne Zeichen einer aseptischen Meningitis infolge der Infektion sein.

Von Wissenschaftlern diskutiert werden weiterhin ein direkter Befall der Meningen durch das Virus selbst, die ZNS-Hypoxie mit Entwicklung zerebraler Vasodilatation und interstitiellem Ödem, aber auch Mikrothromben, bedingt durch die Hyperkoagulopathie und die systemische Entzündungsreaktion bei COVID-19.

Patienten, die sich in der derzeitigen Pandemie-Situation neu mit Kopfschmerzen vorstellen, empfiehlt Gendolla in Abhängigkeit von der Begleitsymptomatik eher als früher eine kranielle Magnetresonanztomografie, um eine schwere Ursache auszuschließen. Insofern hat die Pandemie auch in den Abläufen der täglichen Praxis etwas verändert. Für die Zukunft hofft die Neurologin, dass das Forschungsinteresse an Kopfschmerzerkrankungen und die Forschungsförderung nicht abnehmen werden.

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