Rätselhaftes Lazarus-Phänomen

Wiederbelebung erfolglos, dennoch am Leben

Die Wiederbelebung wird erfolglos abgebrochen, doch dann erwacht der vermeintlich Tote wieder zum Leben: Dieses sogenannte Lazarus-Phänomen überrascht nicht wenige Notärzte. Offenbar tritt es häufiger auf, als es dokumentiert wird.

Peter LeinerVon Peter Leiner Veröffentlicht:

PARIS. Vor einem halben Jahrhundert ist das Lazarus-Phänomen erstmals beschrieben worden. Seither tauchen immer wieder einmal Berichte und Publikationen darüber auf. Viele Ärzte gehen davon aus, dass es viel häufiger vorkommt, als dies dokumentiert wird.

Dr. David Gerard vom Henri Mondor Hôpital in Paris und seine Kollegen haben deshalb in Frankreich eine Befragung von Notärzten vorgenommen, um sich über deren Wissensstand im Klaren zu werden und zu untersuchen, wie die Befragten mit dem Phänomen umgehen (Resuscitation 2013, online 16. August).

Der kleinen Untersuchung zufolge müsste eigentlich - hochgerechnet - fast jeder zweite Notarzt schon einmal in seinem Berufsleben dem Phänomen begegnet sein.

Mehr als zwei Drittel wussten Bescheid

Ihren Fragebogen hatten Gerard und seine Kollegen 103 Notärzten geschickt, die alle den Bogen ausgefüllt zurückgeschickt haben. 69% gaben an zu wissen, dass es die plötzliche Rückkehr einer spontanen Kreislauffunktion nach Beendigung von Reanimationsmaßnahmen tatsächlich gibt.

Aber fast keinem war der Begriff "Lazarus-Phänomen" bekannt, wie die französischen Ärzte berichten. Der Begriff erinnert an die im Johannes-Evangelium beschriebene Auferweckung des seit vier Tagen verstorbenen Lazarus durch Jesus. Vor 20 Jahren wurde die Bezeichnung medizinisch etabliert.

Aus der Befragung geht hervor, dass 54% der Ärzte das Phänomen selbst wenigstens einmal schon erlebt haben, ein Drittel hat von Kollegen davon erfahren und 4% von ihnen auf Fortbildungsveranstaltungen.

88% der Befragten, die Patienten betreuten, bei denen ein Lazarus-Phänomen auftrat, gaben an, dass sie das Ereignis überrascht hatte, und 71%, dass es ihnen sogar peinlich war.

Mehr als jeder Dritte (37%) machte sich über mögliche Rechtsansprüche Gedanken. Insgesamt 23% der Befragten hatten Bedenken, in Verruf zu geraten, wenn sie einen Patienten für tot erklärten und das etwa den Angehörigen kommunizierten, später aber das Lazarus-Phänomen auftrete.

Welches sind die neurologischen Folgen?

Mit 63% die meisten der Befragten glaubten nicht, dass die plötzliche Rückkehr einer spontanen Kreislauffunktion ohne neurologische Folgen bleibt, obwohl es Publikationen darüber gibt. Fast genauso viele Befragte (66%) gaben schließlich an, trotz des Lazarus-Phänomens keine lebenserhaltenden Maßnahmen eingeleitet zu haben.

Und: Nur jeder Dritte versicherte, Patienten regelmäßig nach einer erfolglosen Reanimation zu überwachen. Deshalb plädieren die französischen Ärzte um Gerard, öfter als bisher nach Abschluss der Reanimationsmaßnahmen die Patienten zu überwachen.

Auch Ruth Greer und ihre Kollegen vom Southmead Hospital in Bristol erinnern daran, dass Patienten mit einem Lazarus-Phänomen durchaus ohne neurologische Komplikationen überleben können und falsch-positive Todesfeststellungen vermieden werden müssten (Resuscitation 2013; online 30. August).

Dem britischen National Reporting und Learning System seien allein zwischen 2009 und 2011 insgesamt fünf Fälle gemeldet worden, in denen Angehörige von Patienten nach Beendigung der Wiederbelegungsmaßnahmen verfrüht über deren angeblichen Tod unterrichtet worden waren, die Patienten danach aber noch einige Stunden gelebt hätten.

Mindestens fünf Minuten verstreichen lassen

Um das Risiko zu verringern, dass fälschlicherweise der Tod nach einer erfolglosen Wiederbelebung festgestellt wird, wird in Großbritannien empfohlen, nach einem Herzstillstand, der nach Beendigung der Wiederbelebungsmaßnahmen eingetreten ist, vor der Todesfeststellung mindestens fünf Minuten verstreichen zu lassen.

Außerdem müssen Pupillen- und Hornhautreflex fehlen sowie eine motorische Reaktion nach starkem Druck auf die supraorbitalen Nervenaustrittspunkte.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Sonderbericht

SCD-Schutz in früher HF-Phase

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: ZOLL CMS GmbH, Köln
Das könnte Sie auch interessieren
Grippeschutz in der Praxis – Jetzt reinhören!

© DG FotoStock / shutterstock

Update

Neue Podcast-Folgen

Grippeschutz in der Praxis – Jetzt reinhören!

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Herz mit aufgemalter Spritze neben Arm

© Ratana21 / shutterstock

Studie im Fokus

Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Prävention durch Influenzaimpfung?

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Junge Frau spricht mit einer Freundin im Bus

© skynesher | E+ | Geytty Images

Update

Impflücken bei Chronikern

Chronisch krank? Grippeimpfung kann Leben retten

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
SCD-PROTECT-Studie-- Frühe Phase nach Diagnose einer Herzinsuffizienz – deutlich höheres Risiko für den plötzlichen Herztod als in der chronischen Phase.

© Zoll CMS

SCD-Schutz in früher HF-Phase

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: ZOLL CMS GmbH, Köln
Abb. 1: Risikoreduktion durch Bempedoinsäure gegenüber Placebo in der CLEAR-Outcomes-Studie für den primären 4-Komponenten-Endpunkt (A) und den sekundären 3-Komponenten-Endpunkt (B) stratifiziert nach Diabetes-Status

© Springer Medizin Verlag

Diabetes mellitus

Bempedoinsäure: Benefit für Hochrisiko-Kollektive

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
Kardiologie und Hausärzteschaft im Dialog

© Springer Medizin Verlag

Kardiologie und Hausärzteschaft im Dialog

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Puren Pharma GmbH & Co. KG, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Lesetipps
Eine MFA schaut auf den Terminkalender der Praxis.

© AndreaObzerova / Getty Images / iStockphoto

Terminservicestellen und Praxen

116117-Terminservice: Wie das Bereitstellen von TSS-Terminen reibungsloser klappt

Bei Grenzentscheidungen (z.B. kürzlich stattgehabte Operation) gelte es, Rücksprache mit der entsprechenden Fachdisziplin zu halten, betont Dr. Milani Deb-Chatterji.

© stockdevil / iStock

Eine schwierige Entscheidung

Schlaganfall: Das sind Grenzfälle der Thrombolyse