Kommentar des Experten

Zehn Forderungen an die Leistung von oralen Antidiabetika - Teil 2

Resultate aus harten Endpunktstudien und günstiger Einfluss auf das Körpergewicht der Patienten: Das ist heute von oralen Antidiabetika zu fordern.

Von Prof. Hellmut Mehnert Veröffentlicht:

Fünf Anforderungen an orale Antidiabetika wurden im ersten Teil des Kommentars erörtert. Dazu gehören gute Blutzuckersenkung, positive Beeinflussung von Lipiden, Blutdruck und anderen Risikofaktoren, eine geringe Hypoglykämiegefahr und keine akute oder langfristige Toxizität. Die Forderungen sechs bis zehn gibt es hier im zweiten Teil.

Professor Hellmut Mehnert

Arbeitsschwerpunkte: Diabetologie, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten widmet sich Professor Hellmut Mehnert seit über 50 Jahren.

Erfahrungen: 1967 hat er die weltweit größte Diabetes-Früherfassungsaktion gemacht sowie das erste und größte Schulungszentrum für Diabetiker in Deutschland gegründet.

Ehrung: Er ist Träger der Paracelsus-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Deutschen Ärzteschaft.

6. Von allen Substanzen, vor allem auch von neu entdeckten oralen Antidiabetika, sind harte Endpunktstudien energisch zu fordern, um hier eine evidenzbasierte eventuelle Verbesserung oder aber Verschlechterung, etwa im Hinblick auf Herzinfarkte und Schlaganfälle, aufzuzeigen.

Um solche Ereignisse hatte sich schon die UKPDS bemüht und vor allem für Metformin belegen können, dass die Diabetes-bezogene Mortalität und die Herzinfarktrate unter dieser Substanz sinken. Die Beurteilung wird erschwert durch die wechselnde Qualität der Stoffwechselführung, die sowohl für Mikro- und Makropathie als auch für die Neuropathie für alle Substanzen eine wichtige Bedeutung hat.

7. Besonders schwierig wäre ein betazellprotektiver Effekt nachzuweisen, der natürlich angesichts der Progressivität des Typ-2-Diabetes äußerst erwünscht ist. Wichtige Hinweise auf einen solchen Effekt hat es bei den DPP4-Hemmern (und den injizierbaren GLP1-Mimetika beziehungsweise Analoga) gegeben.

Im Tierversuch konnte mit den Substanzen der fortschreitenden Apoptose der Insulin produzierenden Betazellen entgegengewirkt werden. Fraglich ist, ob dies auch beim Menschen der Fall ist. Gewisse Surrogatparameter wie der Proinsulin/Insulin-Quotient und Insulinresistenz (Homa-Index) weisen aber in diese Richtung.

8. Das Körpergewicht (Insulinresistenz!) und vor allem die androide Fettsucht sollten günstig beeinflusst werden. Dies leisten zum Beispiel Sulfonylharnstoffe, Glinide und Glitazone in keiner Weise.

Alle appetithemmenden Substanzen (wie Metformin) sind günstig. Die neuerdings zu Recht viel gebrauchten DPP4-Hemmer ermöglichen zumindest eine gewichtsneutrale Therapie. Ihre injizierbaren Partner, die GLP1-Agonisten Exenatide und Liraglutide, führen beinahe regelhaft zur Appetitminderung und Gewichtsabnahme.

9. Ein orales Antidiabetikum sollte zudem mit anderen Substanzen kombinierbar sein. Hier hat die Pharmakologie bisher eine glückliche Hand gehabt, da es kaum nachteilige Interferenzen bei der gemeinsamen Verabreichung von zwei (oder drei) der verschiedenen Antidiabetika gibt.

Eher muss man sagen, dass unnötige Kombinationen sinnlos sind (wenn auch nicht schädlich!), wie zum Beispiel die Kombination von Sulfonylharnstoffen mit Gliniden oder auch in Grenzen die von Sulfonylharnstoffen mit DPP4-Hemmern.

10. Die Kosten der Therapie sind natürlich wichtig für die Wahl der Medikamente. Es kann verlockend sein, mit Glibenclamid und Metformin die preisgünstigsten Substanzen zu verordnen, ja dies sogar zu erzwingen (DMPs!). Bei Glibenclamid ist aber seine Gefährlichkeit zu beachten (schätzungsweise 40 bis 80 Todesfälle infolge von Hypoglykämien pro Jahr!). Die neuen Substanzen sind alle deutlich teurer, da die Hersteller ihre derzeit enormen Entwicklungskosten berücksichtigt wissen wollen.

Lesen Sie dazu auch: Experte: Zehn Forderungen an die Leistung von oralen Antidiabetika - Teil 1

Ihr Newsletter zum Thema
Lesen sie auch
Mehr zum Thema

Zwei Phase-III-Studien gescheitert

Semaglutid offenbar wirkungslos gegen Alzheimer

Einteilung in fünf Gruppen

Diabetes: Risiken für Komorbiditäten vom Subtyp abhängig

Das könnte Sie auch interessieren
Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

© Aleksandr | colourbox.de

Fatal verkannt

Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

© polkadot - stock.adobe.com

Vitamin-B12-Mangel

Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
B12-Mangel durch PPI & Metformin

© Pixel-Shot - stock.adobe.com

Achtung Vitamin-Falle

B12-Mangel durch PPI & Metformin

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
SCD-PROTECT-Studie-- Frühe Phase nach Diagnose einer Herzinsuffizienz – deutlich höheres Risiko für den plötzlichen Herztod als in der chronischen Phase.

© Zoll CMS

SCD-Schutz in früher HF-Phase

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: ZOLL CMS GmbH, Köln
Abb. 2: Schneller Wirkeintritt von Naldemedin im Vergleich zu Placebo in den Studien COMPOSE-1 und COMPOSE-2

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [15]

Opioidinduzierte Obstipation

Selektive Hemmung von Darm-Opioidrezeptoren mit PAMORA

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Viatris-Gruppe Deutschland (Mylan Germany GmbH), Bad Homburg v. d. Höhe
Abb. 1: Risikoreduktion durch Bempedoinsäure gegenüber Placebo in der CLEAR-Outcomes-Studie für den primären 4-Komponenten-Endpunkt (A) und den sekundären 3-Komponenten-Endpunkt (B) stratifiziert nach Diabetes-Status

© Springer Medizin Verlag

Diabetes mellitus

Bempedoinsäure: Benefit für Hochrisiko-Kollektive

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Risikofaktoren identifiziert

Für wen könnten Harnwegsinfekte gefährlich werden?

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“

Metaanalyse

Subjektive Krankheitsbelastung bei Krebs prognostisch relevant

Lesetipps
Übersichtsarbeit: Wie wirken Hochdosis-, rekombinante und mRNA-Vakzinen verglichen mit dem Standardimpfstoff?

© Sasa Visual / stock.adobe.com

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Serotoninkristalle, die ein Muster ergeben.

© Michael W. Davidson / Science Photo Library

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an