Zungenknötchen wiesen Weg zur Diagnose

Schon als Säugling litt ein Mädchen an schwerer chronischer Verstopfung. Wegen wulstiger Lippen und zwei kleiner Knötchen auf der Zunge führt die Verdachtsdiagnose zur Schilddrüsen-Sonografie.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:

MÜNCHEN. Einem sechsjährigen Mädchen musste wegen eines Schilddrüsenkarzinoms die Drüse komplett entfernt werden. Der Eingriff wäre auch ohne Karzinom nötig gewesen - prophylaktisch.

Das Kind hatte ein MEN-Syndrom, berichtet Professor Sibylle Koletzko, pädiatrische Gastroenterologin am Dr. von Haunerschen Kinderspital der Ludwig-Maximilians-Universität München (Gastro-News 2010; 1: 7). MEN steht für multiple endokrine Neoplasien. Die Patienten fallen durch Adenombildungen in verschiedenen endokrinen Drüsen auf. Es werden mehrere Subtypen unterschieden, die meist autosomal-dominant vererbt werden.

Das Mädchen war seit ihrem Säuglingsalter wegen geblähtem Abdomen und schwerer chronischer Verstopfung aufgefallen. Die wulstigen Lippen und zwei kleine Knötchen auf der Zunge ließen den Kinderarzt die richtige Verdachtsdiagnose stellen. Er überwies das Kind zur Schilddrüsensonografie.

Es fanden sich drei verdächtige Bezirke sowie zehn vergrößerte zervikale Lymphknoten. Die Calcitonin-Werte waren sowohl basal als auch nach Pentagastrin-Stimulation stark erhöht.

Die molekulargenetische Untersuchung bestätigte ein MEN Typ 2b. Das Mädchen hatte vor diesem Hintergrund ein medulläres Schilddrüsenkarzinom entwickelt mit typischem multifokalem und bilateralem Befall. Dieses Karzinom trete bereits in den ersten Lebensjahren auf und metastasiere früh, so Koletzko. Gelingt die Diagnose der Erkrankung bereits vorher, werde sogar die prophylaktische Thyreoidektomie innerhalb der ersten zwei Lebensjahre empfohlen. Meist wird die Diagnose jedoch erst nach Jahren gestellt.

Bei fast allen MEN-Typ-2b-Patienten ist der Gastrointestinaltrakt mit beteiligt. "Die Hyperganglionose im Verdauungstrakt wird in den Lippen sichtbar, die oft wulstig aufgetrieben sind, und in den Ganglioneuromen auf der Zunge", berichtet Koletzko. Die Neurome können so groß werden, dass sie Pylorus- oder Dünndarmobstruktionen auslösen.

Das in der wissenschaftlichen Publikation beschriebene Mädchen benötigt eine konsequente Behandlung mit Macrogol und Kolonmassagen, um regelmäßige Stuhlentleerungen zu erreichen. Außerdem wird Thyroxin substituiert.

Weitere Symptome, die an ein MEN Typ 2b denken lassen sollten, sind Neurome auf den Augenlidern und Konjunktiven, ein marfanoider Habitus und überstreckbare Gelenke. An endokrinen Manifestationen der Erkrankung sind außer der C-Zellhyperplasie oder dem Schilddrüsenkarzinom auch ein Phäochromozytom und die Nebenschilddrüsen-Hyperplasie möglich.

Mehr zum Thema

Möglicher Langzeiteffekt bei älteren Frauen

Supplementation von Calcium und Vitamin D könnte Krebsmortalität senken

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Dr. Iris Dötsch Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologin und Ernährungsmedizinerin hat die Hauptstadtdiabetologinnen, eines neues Netzwerk für Frauen in der Diabetologie, gegründet.

© snyGGG / stock.adobe.com

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen