Pandemie-Bewältigung

Corona-Bilanz in NRW: Kooperation klappt, doch es fehlt die Strategie

Bei einer Online-Veranstaltung der Kammern Nordrhein und Westfalen-Lippe fällt die Bilanz zur Corona-Pandemie zwiespältig aus: Die Koordination ärztlicher Akteure vor Ort hat sich bewährt, doch dies ersetzt keine abgestimmte Pandemie-Strategie der Politik.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Aus Sicht vieler Ärzte fehlen immer noch konsistente Strukturen zur Bekämpfung einer Pandemie wie COVID-19.

Aus Sicht vieler Ärzte fehlen immer noch konsistente Strukturen zur Bekämpfung einer Pandemie wie COVID-19.

© WoGi/ stock.adobe.com

Düsseldorf. Das Fehlen von Konzepten zur Bekämpfung der Corona-Pandemie hat die Akteure vor Ort gezwungen, selbst das Zepter in die Hand zu nehmen. An vielen Stellen haben sie auf die Kooperation gesetzt und Strukturen aufgebaut, um die Herausforderungen gemeinsam zu meistern.

Das entlässt die Politik aber nicht aus der Pflicht, endlich belastbare Strukturen und eine bundesweit abgestimmte Strategie für den Umgang mit Pandemien wie COVID-19 zu entwickeln. Darin waren sich die Teilnehmer einer gemeinsamen Online-Veranstaltung der Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe einig.

Innerhalb der niedergelassenen Ärzteschaft und zwischen ambulantem und stationärem Sektor hat sich in den vergangenen Monaten eine Reihe von erfolgreichen Kooperationen entwickelt, berichtete Bernd Zimmer, Vizepräsident der Ärztekammer Nordrhein. „Weil wir so gut funktioniert haben, sehe ich die Gefahr, dass die Politik schon wieder auf dem Rückzug ist, statt Strukturen zu schaffen“, warnte er.

Pläne alleine reichen nicht

Gefragt sei Nachhaltigkeit. „Funktionen müssen etabliert werden und erprobt werden.“ Das Vorhandensein von Pandemieplänen allein reiche nicht aus, sie müssten regelmäßig überprüft und eingeübt werden. „Es nützt nichts, wenn wir das virtuell betreiben, wir müssen es können“, betonte der Hausarzt.

Die Pandemie hat zu einem Riesen-Fortschritt bei der Kooperation geführt, bestätigte Dr. Christoph Haurand, Ärztlicher Direktor der Knappschaft Kliniken Bergmannsheil in Gelsenkirchen-Buer. „Wir konnten sehr schnell und sehr einfach agieren.“ Innerhalb seiner Klinik hätten die konservativen und chirurgischen Fächer zusammengearbeitet, es gab eine noch nie erlebte Zusammenarbeit zwischen den Kliniken der Region und einen guten Austausch zwischen Krankenhäusern und Kassenärztlicher Vereinigung, berichtete er. Allerdings: „Ich habe ein Stück weit das Gefühl, dass das nur eine kurze Halbwertzeit hat.“ Kehrt die Normalität wieder ins Gesundheitswesen zurück, werden die Initiativen wieder versanden, fürchtet Haurand.

Ich fürchte, es wird nicht gesehen, dass nach der Pandemie vor der Pandemie ist.

Dr. Anne Bunte, Leiterin des Gesundheitsamtes Kreis Gütersloh

Notwendig ist aus seiner Sicht die Entwicklung dynamischer Konzepte für die Katastrophen- und Pandemiemedizin. „Wir haben gelernt, dass die Lehren aus der ersten Welle absolut nicht auf die zweite Welle zu übertragen waren.“

Reha nur in dritter Linie verortet

In solchen Konzepten dürfen auch die Rehakliniken nicht fehlen, betonte Professor Mario Siebler, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Fachklinik für Neurologie an der Mediclin Fachklinik Rhein/Ruhr in Essen. „Wir müssen frühzeitig eingebunden werden“, forderte er. Bislang werde die Rehabilitation erst in der dritten oder vierten Linie gesehen. „Wir wollen Leistungen mittragen, Patienten mitversorgen.“ Wichtig ist ihm, dass Strategien entwickelt werden, die nicht nur auf zwei, oder drei Monate ausgerichtet sind. „Wir werden auf die Dauerstrecke müssen“, sagte Siebler.

Die Diskutanten waren sich einig, dass Strategien zur Pandemiebekämpfung nur dann wirksam sein können, wenn ärztlicher Sachverstand eingebunden wird. Das ist nach Einschätzung von Dr. Ute Teichert, Leiterin der Akademie für öffentliches Gesundheitswesen und Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes, zurzeit nicht der Fall. Die Strategie sei in erster Linie Wahlkampf-Strategie. „Die Entscheidungen sind aus ärztlicher Sicht nicht nachzuvollziehen“, kritisierte sie.

Die Ärzteschaft müsse sich mit einer Stimme zu Wort melden. „Es muss selbstverständlich werden, dass bei politischen Entscheidungen die fachliche – und vor allem die ärztliche – Expertise Berücksichtigung findet.“

Der Austausch mit der Politik muss institutionalisiert werden, sagt Dr. Anne Bunte, Leiterin des Gesundheitsamtes im Kreis Gütersloh. Es reiche nicht, isoliert über einzelne Ideen zu diskutieren. „Wir müssen mit der Landesregierung in Dialog kommen“, fordert sie. Es gehe darum, langfristige Strukturen aufzubauen. „Ich fürchte, es wird nicht gesehen, dass nach der Pandemie vor der Pandemie ist.“

Mehr zum Thema

Fahrlässige Tötung

Arzt nach Tod einer 12-Jährigen zu Haftstrafe verurteilt

Projekt des Innovationsfonds

Praxen in NRW werden zur ePA befragt

Das könnte Sie auch interessieren
Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

© David Pereiras | iStock (Symboldbild mit Fotomodell)

Dermatomykosen

Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

© Irina Tiumentseva | iStock

Onychomykosen

Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Abb. 1: Zeitaufwand pro Verabreichung von Natalizumab s.c. bzw. i.v.

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [9]

Familienplanung und Impfen bei Multipler Sklerose

Sondersituationen in der MS-Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Biogen GmbH, München
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Lesetipps
Sieht lecker aus und schmeckt — doch die in Fertigprodukten oft enthaltenen Emulgatoren wirken proinflammatorisch. Ein No-Go für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

© mit KI generiert / manazil / stock.adobe.com

Emulgatoren in Fertigprodukten

Hilfreich bei Morbus Crohn: Speiseeis & Co. raus aus dem Speiseplan!