Debatte im Bundestag

Klinikreform: Unionsfraktion wirft Lauterbach falsche Taktung vor

CDU/CSU fordert „Brückenfinanzierung“ für notleidende Krankenhäuser. Der Bundesgesundheitsminister hält an seiner Schrittfolge für die Krankenhausstrukturreform fest. Das heißt: Das Transparenzgesetz soll zuerst kommen.

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Keine Transparenz wäre „unethisch“. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Donnerstag bei der Debatte des Bundestags zur Krankenhausreform im Reichstag in Berlin.

Keine Transparenz wäre „unethisch“. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Donnerstag bei der Debatte des Bundestags zur Krankenhausreform im Reichstag in Berlin.

© Kay Nietfeld/dpa

Berlin. Das Plenum des Bundestags hat sich am Mittag erstmals mit dem geplanten Krankenhaustransparenzgesetz befasst. Zusätzlich war die Beratung eines Antrags der Unionsfraktion angesetzt, der „kalten Strukturbereinigung“ in der Krankenhauslandschaft durch ein Vorschaltgesetz zu begegnen. Etwa die Hälfte der rund 1700 Krankenhäuser wird als defizitär eingeschätzt. Etwa 500 von ihnen drohe in absehbarer Zeit die Insolvenz, heißt es von CDU/CSU-Seite.

Beide Vorlagen hat der Bundestag im Anschluss an die Debatte an den federführenden Gesundheitsausschuss überwiesen.

Lauterbach: Transparenz ist überfällig

Gesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) wies eingangs den Vorwurf aus der Opposition zurück, er wolle unter anderem mit dem Transparenzgesetz einem Kliniksterben sogar Vorschub leisten.

Es gehe darum, den Menschen bei der Frage „In welche Klinik soll ich gehen?“ zu helfen. „Transparenz ist überfällig“, sagte Lauterbach und kündigte leicht zugängliche Informationen zur Zahl der Fachärzte und Pflegekräfte mit welcher Erfahrung und Routine sowie zur Patientensterblichkeit in der Folge von Behandlungen in den Krankenhäusern an. Es wäre „unethisch“, wenn sich Krankenhäuser mit nachgewiesenen Qualitätsdefiziten weiter füllten.

Union schiebt Verantwortung für Defizite auf den Bund

Es handele sich dabei um Routinedaten, die bereits vorlägen, derzeit aber nicht veröffentlicht seien. Mit zusätzlicher Bürokratie sei mithin nicht zu rechnen, so der Minister. Die Reform werde mit dem Transparenzregister starten, dann mit dem Umbau der Finanzierung Richtung Vorhaltepauschalen fortgesetzt, bevor am Ende die Notfallreform und die Neuausrichtung der Rettungsdienste folgten.

Während Lauterbach sowohl in der Debatte als auch bereits schon im Vorfeld auf die Leistungen des Bundes für die Krankenhäuser, unter anderem zuletzt auf sechs Milliarden Euro an Energiehilfen sowie rund 22 Milliarden Euro an Corona-Hilfen verwies und gleichzeitig die fehlende Investitionsfinanzierung durch die Länder in Höhe von rund 30 Milliarden Euro in den vergangenen zehn Jahren anprangerte, versuchte die Opposition, vor allem die Union, den Fokus auf die aktuelle Inflation und somit auf die Betriebskostenfinanzierung zu lenken. Dafür ist der Bund zuständig.
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Schrittfolge in der Kritik

Die Konfrontationslinie der Unionsfraktion als größter Oppositionspartei ist klar gezeichnet. Nicht die Krankenhausstrukturreform als solche wurde attackiert, sondern die Schrittfolge. Zunächst müsse, wie im Vorschlag für ein Vorschaltgesetz skizziert, die Rettung der bereits jetzt angeschlagenen Häuser angegangen werden. „Wir brauchen eine Brückenfinanzierung“, forderte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion Tino Sorge. Erst dann solle die Transparenz angegangen werden. Dann könne die Krankenhausreform sogar ein Erfolg werden, warb er für das Projekt.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Linksfraktion Ates Gürpinar erinnerte an den Protesttag der Krankenhäuser am Mittwoch, zudem Linke und Liberale, Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen auf den Straßen waren. Gürpinar erinnerte daran, dass die Linke bereits vor einiger Zeit gefordert habe, die Defizite der Krankenhäuser auszugleichen.

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Transparenzinitiative Teil der Eckpunkte

Der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Arzt Dr. Janosch Dahmen erinnerte daran, dass das aktuelle Liquiditätsdefizit der Krankenhäuser besser bekämpft werden könnte, wenn die Kassen nicht jedes Jahr rund zehn Milliarden Euro für versicherungsfremde Leistungen aufwenden müssten. Dies habe die Union in den vielen Jahren an der Regierung nicht abgestellt.

Die Ampel hat sich die Umsteuerung bei diesen Leistungen, zum Beispiel die Krankenkassenbeiträge für Bürgergeldbezieher als gesamtgesellschaftliche Aufgabe aus Steuermitteln zu finanzieren, in den Koalitionsvertrag geschrieben.

Sowohl die Transparenzinitiative als auch die Krankenhausstrukturreform an sich waren Gegenstand des zwischen Bund und Ländern am 10. Juli weitgehend geeinten Eckpunktepapiers gewesen. Lediglich Bayern hatte gegen das Papier gestimmt, Schleswig-Holstein sich der Stimme enthalten.

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Ullmann: Entscheidungsfreiheit der Ärzte erhalten

Darauf verwies auch der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion und Arzt Professor Andrew Ullmann. Er mahnte an, dass die Transparenzinitiative die Entscheidungsfreiheit der Ärzte nicht beeinträchtigen dürfe.

Die hohe Zahl an Krankenhäusern in Deutschland, genannt wird aktuell die Zahl von rund 1700, bedeute nicht, dass alle mit der gleichen Qualität arbeiteten, sagte die FDP-Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus. Die bisherigen Qualitätsberichte seien allerdings „unbrauchbar“, warb sie für das geplante Transparenzportal.

Ein schlagendes Argument für diese Unbrauchbarkeit führte der SPD-Politiker Matthias David Mieves an. Er habe sich auf der Seite des Gemeinsamen Bundesausschusses Informationen über sein Heimatkrankenhaus aufgerufen. Das PDF-Dokument habe 1246 Seiten umfasst. Es benötige also neue Instrumente, um den Menschen zu helfen, eine bessere Entscheidung zu treffen, am besten gemeinsam mit Hausärztin und Hausarzt. (af)

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