Mecklenburg-Vorpommern

Land unter im ÖGD!

In Mecklenburg-Vorpommern können originäre Aufgaben des Öffentlichen Gesundheitsdienstes wegen Personalmangel nicht mehr wahrgenommen werden. Die Linke kritisiert die Landesregierung deswegen scharf.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Den Weg zum Gesundheitsamt schlagen in Mecklenburg-Vorpommern Ärzte offenbar nur sehr ungern ein.

Den Weg zum Gesundheitsamt schlagen in Mecklenburg-Vorpommern Ärzte offenbar nur sehr ungern ein.

© hkama/stock.adobe.com

Schwerin. Die Gesundheitsämter sind mit der Coronavirus-Pandemie stärker in den Fokus geraten. Dass viele Ämter personell unterbesetzt sind, war schon vor der Pandemie kein Geheimnis.

Wie groß die Lücken in Mecklenburg-Vorpommern sind, zeigt die Antwort der CDU-SPD-geführten Landesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linken-Fraktion. Deren Gesundheitspolitiker sprechen von einer „Bankrotterklärung“.

„Die Gesundheitsämter haben auf Nachfrage erklärt, dass Defizite bei der Erfüllung der Aufgaben mit Stand des Jahres 2019 aufgetreten sind“, heißt es in der Antwort der Landesregierung. Als Beispiele führt sie Untersuchungen des kinder- und jugendärztlichen Dienstes auf, die „mangels Personal nicht immer gewährleistet werden können“.

Gleiches gelte für die Untersuchungen im zahnärztlichen Bereich. Die infektionshygienische Überwachung von Praxen und medizinischen Einrichtungen finde „mancherorts lückenhaft, nicht regelhaft und in zu großen Abständen statt.“

Weniger Personal, aber mehr Aufgaben

Als Ursache für diese Situation nennt die Landesregierung die Zuweisung neuer und die Erweiterung bestehender Aufgaben ohne Personalanpassung. „Vor allem stellt sich die Gewinnung von Personal, insbesondere von Ärztinnen und Ärzten an den Gesundheitsämtern in Mecklenburg-Vorpommern, aber auch in anderen Bundesländern, als zunehmendes Problem dar“, schreibt die Landesregierung.

In Zahlen ausgedrückt: 2015 waren an den Gesundheitsämtern im Nordosten 78 Ärzte (mit 61,75 Vollbeschäftigungseinheiten) beschäftigt, 2018 nur noch 67 Ärzte (mit 58,46 Vollbeschäftigungseinheiten). Rückgänge verzeichnen die Gesundheitsämter in diesem Zeitraum auch für andere Berufe, etwa bei den Zahnärzten (von 20 auf 16 Beschäftigte) und den Sozialarbeitern (von 88 auf 83).

Über alle Berufsgruppen hinweg sank die Zahl der Beschäftigten von 445 auf 411 (siehe nachfolgende Tabelle). Die Vollbeschäftigungseinheiten gingen von 391,52 auf 369,65 zurück – bei steigenden Aufgaben.

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Dass die Situation in vielen anderen Bundesländern – wie von der Landesregierung beschrieben – ähnlich ist, zeigt ein Blick nach Baden-Württemberg. Dort sind wie kürzlich berichtet rund 500 Ärzte an den Gesundheitsämtern derzeit beschäftigt und rund 50 Stellen unbesetzt.

Hohe Arbeitsbelastung lässt Krankenstand steigen

Folge solcher Lücken ist eine „konstant hohe Arbeitsbelastung“, wie die Landesregierung in Schwerin einräumte. Sie berichtete auch von Langzeiterkrankungen und einem „generell hohen Krankenstand, bedingt durch den hohen Altersdurchschnitt“.

Vereinzelt reagieren Gesundheitsämter im Nordosten mit der Einschaltung von Honorarkräften auf die Personallücken. Das Gesundheitsamt Rostock etwa setzt punktuell Pädiater als Honorarkräfte zu einem Stundensatz von 80 Euro ein. Das Gesundheitsamt Vorpommern-Greifswald hat zur Mit-Erfüllung seiner Aufgaben eine Vereinbarung mit der Universitätsmedizin Greifswald getroffen.

Um gegen diese Entwicklung zu steuern, werden inzwischen an beiden Universitäten des Landes Lehrveranstaltungen für Medizinstudenten zum Thema öffentlicher Gesundheitsdienst abgehalten. Am Landesamt für Gesundheit werden derzeit zwei Ärztinnen zur Fachärztin für Hygiene und Umweltmedizin ausgebildet, eine weitere Stelle kommt 2021 hinzu.

Linke spricht von „Bankrotterklärung“

Für die Linken-Fraktion im Schweriner Landtag ist das deutlich zu wenig. „Die Antwort gleicht einer Bankrotterklärung der Landesregierung“, urteilte Fraktionschefin Simone Oldenburg. Sie sieht darin einen Beleg dafür, „dass Mecklenburg-Vorpommern meilenweit vom eigenen Anspruch entfernt ist, Gesundheitsland Nummer eins zu sein.“ Gesundheitsexperten Torsten Koplin ist empört „wie lax die Landesregierung mit der Situation umgeht.“

Er sieht Land und Kommunen in der Verantwortung und fordert eine Korrektur der Zustände. Nach der parlamentarischen Sommerpause will seine Fraktion das Thema im zuständigen Ausschuss weiterverfolgen.

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