Streit im baden-württembergischen Landtag

Paragraf 219a: Ursache für prekäre Versorgung?

Die von der Ampel-Koalition geplante Streichung des Paragrafen 219a hat im baden-württembergischen Landtag einen regelrechten Kulturkampf ausgelöst. Die Grünen steckten dabei in der Koalitions-Klemme.

Von Florian Staeck Veröffentlicht:
Schon lange wird heftig für die Abschaffung des Paragrafen 219a Strafgesetzbuch geworben – hier anlässlich einer Demonstration zum Internationalen Frauentag in Berlin am 8. März 2019.

Schon lange wird heftig für die Abschaffung des Paragrafen 219a Strafgesetzbuch geworben – hier anlässlich einer Demonstration zum Internationalen Frauentag in Berlin am 8. März 2019.

© Ralf Hirschberger/dpa

Stuttgart. Begleitet von scharfen Kontroversen hat der baden-württembergische Landtag am Donnerstag über die auf Bundesebene geplante Abschaffung des Paragrafen 219a Strafgesetzbuch debattiert. Dort ist das „Werbeverbot“ für das Angebot von Abtreibungen strafrechtlich normiert. Die SPD-Fraktion, die das Thema auf die Tagesordnung gesetzt hatte, verwies auf eine sich verschlechternde medizinische Versorgung für Schwangere im Bundesland.

Nur noch 61 Ärzte landesweit würden Abbrüche anbieten, sagte die SPD-Abgeordnete Dorothea Kliche-Behnke: „Tendenz fallend“. Sie verwies darauf, dass Baden-Württemberg noch im vergangenen September im Bundesrat seine Zustimmung für einen Antrag verweigert habe, der das Ziel hatte, eine Abschaffung des 219a anzustoßen.

Die „Kriminalisierung“ von Ärzten, die über Abtreibungen informieren, führe zu einer sich verschlechternden Versorgungssituation, warnte sie. Die Liste bei der Bundesärztekammer, die Ärzte aufführt, die Abbrüche vornehmen, weise für Baden-Württemberg gerade einmal 13 Einträge auf.

Wohnortnahe Versorgung? Da sind Lücken

Die Grünen waren – als Koalitionspartner der CDU – in der Debatte in einer prekären Lage. Für ihre Fraktion hob die Grünen-Abgeordnete Stefanie Seemann hervor, dass die Landesregierung im vergangenen Jahr zusammen mit der KV und der Landesärztekammer erstmals eine Erhebung bei Gynäkologen vorgenommen habe. Dabei habe sich bestätigt, dass nicht überall eine wohnortnahe Versorgung vorhanden ist, so Seemann.

Isabell Huber (CDU) nahm bei ihren Vorrednerinnen eine „seltsame Verschiebung des Weltbildes“ wahr, bei der das Leben des Kindes hinten an gestellt werde. Beim Paragrafen 219a gehe es um ein Werbe-, nicht um ein Informationsverbot, betonte sie. Insoweit könne von einer „strukturellen Benachteiligung“ von Frauen durch den Paragrafen keine Rede sein, sagte Huber. Für den Fall der Abschaffung des 219a sieht sie die Gefahr, dass das aktuelle Regel-Ausnahmeverhältnis umgekehrt wird. „Durch die werbende Darstellung“ für den Abbruch könne „eine vermeintliche Normalität“ entstehen, durch die „Hemmschwellen entfallen“, glaubt Huber.

123 Beratungsstellen landesweit

In der Bewertung nahm die AfD-Abgeordnete Carola Wolle eine inhaltlich vergleichbare Position ein. Sie könne nicht erkennen, dass es für Frauen Informationsdefizite über das „Wie und Wo eines Schwangerschaftsabbruchs“ gebe und verwies dazu auf die landesweit 123 Beratungsstellen. Sie würde sich wünschen, dass diese Einrichtungen nicht ergebnisoffen Schwangere beraten würden, sondern „mit Mut und Unterstützung für das Kind“, so Wolle.

Die grüne Staatssekretärin im Sozialministerium, Ute Leidig, wollte auf Nachfrage nicht darstellen, wie sich die grün-schwarze Landesregierung zur geplanten Abschaffung des 219a positioniert. Das werde man erst tun, wenn der Gesetzentwurf vorliegt, sagte Leidig.

Sie gehe nicht davon aus, dass sich nach Abschaffung des 219a die Zahl der Praxen sprunghaft erhöhen werde, die Abbrüche vornehmen. Das Sozialministerium teile nicht die Darstellung, dass ein „akuter Notstand“ in der Versorgung ungewollt Schwangerer vorliege, so die Staatssekretärin.

Jetzt abonnieren
Mehr zum Thema

Praxisverwaltungssysteme

Ärztebund entwickelt eigenes PVS

Gesetzentwurf im Landtag

SPD in Baden-Württemberg wirbt für mobile Gemeindeschwestern

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Was zur Prophylaxe wirklich nützt

© bymuratdeniz / Getty Images / iStock

Rezidivierende Harnwegsinfekte

Was zur Prophylaxe wirklich nützt

Kooperation | In Kooperation mit: Dermapharm AG
Fast jede Frau macht die Erfahrung einer Blasenentzündung. Häufigster Erreger ist E. coli.

© Kateryna_Kon / stock.adobe.com

Prophylaxe von Harnwegsinfekten

Langzeit-Antibiose nicht mehr First Line

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Dermapharm AG
Plädoyer für die Immunprophylaxe bei Harnwegsinfekten

Experten-Workshop

Plädoyer für die Immunprophylaxe bei Harnwegsinfekten

Kooperation | In Kooperation mit: Dermapharm AG
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Den Herausforderungen mit Hopfenextrakt begegnen

© Pixelrohkost / stock.adobe.com

Arztinformation – Hilfe für Patientinnen in den Wechseljahren

Den Herausforderungen mit Hopfenextrakt begegnen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Procter & Gamble Health Germany GmbH, Schwalbach am Taunus
Abb. 1: Wichtige Signalwege und Angriffspunkte für eine zielgerichtete Therapie beim Mammakarzinom

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [3]

Molekularpathologische Diagnostik

Welche Tests sind wichtig beim Mammakarzinom?

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH GmbH, Hamburg
Abb. 1: Zeitaufwand pro Verabreichung von Natalizumab s.c. bzw. i.v.

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [9]

Familienplanung und Impfen bei Multipler Sklerose

Sondersituationen in der MS-Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Biogen GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Neue transsektorale S3-Leitlinie

Diagnose und Management des Delirs – so geht’s!

Knappe ärztliche und Pflege-Ressourcen

Wie die Peritonealdialyse die Personalprobleme lindern könnte

Lesetipps
Professor Jan Galle

© Dirk Hoppe/NETZHAUT

Kongress-Motto „Resilienz“

DGIM-Präsident Galle: Wie Kollegen den Kopf frei bekommen

Auch einem CT-Bild ist ein Prostata-Karzinom markiert.

© samunella / stock.adobe.com

Aktualisierung der S3-Leitlinie

Früherkennung von Prostatakrebs: Tastuntersuchung vor dem Aus