Werbeverbot für Abbrüche

Bundesrat muss beim Paragrafen 219a Farbe bekennen

Showdown in der Länderkammer: Fünf Länder wollen bei der Bundesratssitzung am Freitag eine Abstimmung über die Aufhebung des umstrittenen Paragrafen 219a Strafgesetzbuch erzwingen.

Veröffentlicht:
Teilnehmer einer Sitzung des Bundesrats stimmen über Anträge ab. Am Freitag entscheidet die Länderkammer, ob sie einen Gesetzesantrag auf Aufhebung des Paragrafen 219a Strafgesetzbuch unterstützt.

Teilnehmer einer Sitzung des Bundesrats stimmen über Anträge ab. Am Freitag entscheidet die Länderkammer, ob sie einen Gesetzesantrag auf Aufhebung des Paragrafen 219a Strafgesetzbuch unterstützt.

© Wolfgang Kumm / dpa

Berlin. Am Freitag (17. September) könnte es im Bundesrat zum Showdown im Streit um „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche kommen. Die Länder Berlin, Brandenburg, Hamburg, Thüringen und Bremen wollen einen seit Ende 2017 in den Ausschüssen des Bundesrats schmorenden Antrag am Freitag erneut auf die Tagesordnung setzen.

Demnach soll Paragraf 219a Strafgesetzbuch, der die „Werbung“ für den Abbruch einer Schwangerschaft verbietet, durch den Gesetzgeber aufgehoben werden. Eigentlich soll mit der Strafvorschrift verhindert werden, dass die Abruptio in der Öffentlichkeit als etwas „Normales“ dargestellt oder kommerzialisiert wird.

Tatsächlich aber wurden in der Vergangenheit Ärzte in mehreren Fällen kriminalisiert, obwohl sie sachlich auf die Abruptio als Teil ihrer Leistungen hingewiesen haben. Der Strafrahmen des Paragrafen 219a bedroht Verstöße mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe.

1933 erstmals ins Reichsstrafgesetz eingeführt

Zwei Ärztinnen haben inzwischen Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Der Bundestag hat Anfang 2019 zwar eine Klarstellung des Paragrafen 219a beschlossen. Demnach dürfen Ärzte nun – etwa im Internet – angeben, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Für weitere Informationen müssen sie allerdings weiterhin auf offizielle Stellen verweisen. Sie dürfen auch nicht veröffentlichen, mit welcher Methode sie abtreiben.

Die antragstellenden Länder erinnern daran, dass das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche ursprünglich 1933 in das Reichsstrafgesetzbuch eingeführt wurde. Diese Vorschrift widerspreche „den heutigen Vorstellungen von Informationsfreiheit, Selbstbestimmung und freier Arztwahl“, heißt es. Daher solle diese Strafvorschrift aufgehoben werden.

Seit über drei Jahren blockiert der federführende Rechtsausschuss im Bundesrat den Fortgang des Verfahrens. Alle anderen Ausschüsse haben ihre Beratungen abgeschlossen, der Rechtsausschuss indes vertagte immer wieder die Behandlung der Vorlage. Zum 1. September hat nun das Land Berlin erneut dafür votiert, den Gesetzesantrag auf die Tagesordnung des Rechtsausschusses setzen zu lassen.

Widerstreitende Voten der Bundesratsausschüsse

Im Ergebnis muss sich das Plenum des Bundesrats am 17. September mit gegenläufigen Voten beschäftigen: Der Gesundheitsausschuss hat empfohlen, den Gesetzentwurf im Bundestag einzubringen, der Rechtsausschuss tut das nicht.

Je nach Einwohnerzahl hat jedes Bundesland im Bundesrat drei bis sechs Stimmen. Bei insgesamt 69 Stimmen im Bundesrat beträgt die für Beschlüsse erforderliche absolute Mehrheit 35 Stimmen. Die fünf Unterstützer-Länder des Antrags vereinigen nur 18 Stimmen auf sich. (fst)

Hören Sie dazu auch vom Januar:
Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Glosse

Die Duftmarke: Personalisierte Medizin

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Was zur Prophylaxe wirklich nützt

© bymuratdeniz / Getty Images / iStock

Rezidivierende Harnwegsinfekte

Was zur Prophylaxe wirklich nützt

Kooperation | In Kooperation mit: Dermapharm AG
Fast jede Frau macht die Erfahrung einer Blasenentzündung. Häufigster Erreger ist E. coli.

© Kateryna_Kon / stock.adobe.com

Prophylaxe von Harnwegsinfekten

Langzeit-Antibiose nicht mehr First Line

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Dermapharm AG
Plädoyer für die Immunprophylaxe bei Harnwegsinfekten

Experten-Workshop

Plädoyer für die Immunprophylaxe bei Harnwegsinfekten

Kooperation | In Kooperation mit: Dermapharm AG
Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 16.09.202112:43 Uhr

§ 219a im Original:

"§ 219a Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft
(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise
1. eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs oder
2. Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zum Abbruch der Schwangerschaft geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung
anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Absatz 1 Nr. 1 gilt nicht, wenn Ärzte oder auf Grund Gesetzes anerkannte Beratungsstellen darüber unterrichtet werden, welche Ärzte, Krankenhäuser oder Einrichtungen bereit sind, einen Schwangerschaftsabbruch unter den Voraussetzungen des § 218a Abs. 1 bis 3 vorzunehmen.

(3) Absatz 1 Nr. 2 gilt nicht, wenn die Tat gegenüber Ärzten oder Personen, die zum Handel mit den in Absatz 1 Nr. 2 erwähnten Mitteln oder Gegenständen befugt sind, oder durch eine Veröffentlichung in ärztlichen oder pharmazeutischen Fachblättern begangen wird."

Man fragt sich, ob beim § 219a die deutsche Rechtsprechung und Jurisprudenz nicht von selbsternannten "Lebensschützern" vorgeführt werden?

Paragraf 219a Strafgesetzbuch (StGB) beinhaltet ein Werbeverbot und k e i n e Informationssperre. Ärztliche und beratende Hinweise für Ratsuchende auf Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen sind demnach keine Spielwiese für Staatsanwaltschaften mit Profilneurosen bzw. Richterinnen un Richter, die bestehende Gesetzte zwar lesen, aber nicht verstehen wollen oder können.

Juristische Exegese, Semiotik,Sprachkultur sind eindeutig: Nur unter intellektueller Missachtung der unterschiedlichen Begrifflichkeiten von „Information“ und „Werbung“ könnte man Ärztinnen und Ärzten offenbar fremdbestimmt vorwerfen, gegen §219a StGB zu verstoßen, welcher expressis verbis lediglich Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch verbietet.

Mf+kG, Ihr Dr. med. Schätzler, FAfAM DO

Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Dr. Antigone Fritz und Hubertus Müller sitzen trocken am PC. Dort zu sehen: ein Bild vom Hochwasser in Erftstadt vor drei Jahren.

© MLP

Gut abgesichert bei Naturkatastrophen

Hochwasser in der Praxis? Ein Fall für die Versicherung!

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MLP
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Leitartikel

Datenschutz ist zugleich auch Praxisschutz

Netzwerk-Metaanalyse von 139 Studien

Gonarthrose: Viele Optionen, doch nur wenige funktionieren

Chronisches Kreuzweh

Studie: Rauchen lässt den Rücken schmerzen

Lesetipps
Schwindel kann viele unterschiedliche Ursachen haben. Mit den richtigen Fragen kommt man aber zur richtigen Diagnose.

© Andrey Popov / stock.adobe.com

BAM-Kongress 2025

Schwindel in der Hausarztpraxis: Fünf Fragen zur Ursachenfindung

Prophylaktische Maßnahmen sind der beste Weg, um Infektionen bei Krebspatientinnen und -patienten zu verhindern. Während und nach ihrer Chemotherapie sind sie dafür besonders anfällig. (Symbolbild)

© RFBSIP / stock.adobe.com

Vorbeugen ist besser als heilen

Wie die Infektionsprophylaxe bei Krebspatienten gelingt

Die Ärzte Zeitung hat jetzt auch einen WhatsApp-Kanal.

© prima91 / stock.adobe.com

News per Messenger

Neu: WhatsApp-Kanal der Ärzte Zeitung