Erst belobigt, dann geschasst

Personalie wird zum Politikum bei Uniklinik Rostock

Ein „Bauernopfer“ für Versäumnisse anderer? Die Freistellung des ärztlichen Direktors am Uniklinikum Rostock erhitzt im Landtag die Gemüter. Die mitregierende CDU fordert eine Erklärung des Aufsichtsrats.

Von Dirk Schnack Veröffentlicht:
Sorgen im Landtag Mecklenburg-Vorpommerns für Diskussionsbedarf: Personal-Querelen am Rostocker Uniklinikum.

Sorgen im Landtag Mecklenburg-Vorpommerns für Diskussionsbedarf: Personal-Querelen am Rostocker Uniklinikum.

© Bernd Wüstneck / dpa-Zentralbil

Rostock/Köln. Die einstweilige Freistellung des Ärztlichen Vorstands der Universitätsmedizin Rostock, Professor Christian Schmidt, beschäftigt die Politik mitten im Landtagswahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern. Das zuständige SPD-geführte Wissenschaftsministerium schweigt, während Linke und CDU ihr Unverständnis äußern und Schmidts Anwalt Professor Rolf Bietmann vom Aufsichtsrat konkrete Gründe für die Freistellung fordert.

Der Kölner Fachanwalt für Arbeitsrecht verwies im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“ darauf, dass Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) seinen Mandanten noch vor wenigen Monaten wegen der besonderen Leistungen der Universitätsmedizin Rostock in der Corona-Pandemie belobigt habe. Wenn eine Belobigung von höchster Stelle erfolge und nur wenige Monate später der Vorstandsvorsitzende der Einrichtung, die die herausgehobenen Leistungen erbracht habe, freigestellt werde, sei dies ungewöhnlich und erklärungsbedürftig, so Bietmann. Eine stichhaltige Begründung für diesen Schritt aber habe der Aufsichtsrat bis gestern nicht geliefert.

Vertrauensverlust?

Das Kontrollgremium habe Schmidt nachts von der Freistellung mit sofortiger Wirkung informiert, bei Fortzahlung der Bezüge. Laut Bietmann ist von einem Vertrauensverlust die Rede. „Das ist sehr subjektiv und bedarf einer Konkretisierung“, so der Rechtsanwalt. Er wollte nicht ausschließen, dass Schmidt die Rolle eines „Bauernopfers“ zugedacht sei.

Vorsitzender des Aufsichtsrates ist der SPD-Politiker Mathias Brodkorb, der fünf Jahre lang das Wissenschaftsministerium in Schwerin führte, bevor er 2016 das Finanzressort übernahm und 2019 Aufsichtsratschef der Universitätsmedizin Rostock und der Universitätsmedizin Greifswald wurde. Außer einer knappen öffentlichen Mitteilung gibt es keine öffentliche Erklärung des Aufsichtsrates zur Freistellung. Auch das SPD-geführte Wissenschaftsministerium und die SPD-Landtagsfraktion haben sich bislang nicht öffentlich geäußert.

Daniel Peters vom Koalitionspartner CDU dagegen bringt Brodkorbs Namen ins Spiel: „Mathias Brodkorb ist seinerzeit an die Universitätsmedizin geschickt worden, um ein Haus, in dem komplexe Prozesse vonstattengehen, in ruhigeres Fahrwasser zu führen. Inzwischen deutet sich an, dass offensichtlich das glatte Gegenteil eingetreten ist.“

Peters forderte, dass der Aufsichtsrat die Gründe für Schmidts Freistellung im zuständigen Landtagsausschuss begründen soll. Peters: „Ich hoffe, dass nicht von politischen Fehlern abgelenkt werden soll, die möglicherweise von anderen gemacht worden sein könnten.“

Opposition kritisiert Bildungsministerin

Die Oppositionspartei Die Linke sieht die Landesregierung in der Pflicht und nimmt das zuständige Ministerium von Bildungsministerin Bettina Martin (SPD) ins Visier. „Dieser ungeheuerliche Zustand ist Ausdruck einer falschen Politik der Landesregierung. Auch hier versagt das Bildungsministerium kläglich“, so die Linken-Fraktionsvorsitzende Simone Oldenburg. Martin ist eine langjährige Weggefährtin von Ministerpräsidentin Schwesig.

Schmidts Anwalt wollte sich über mögliche politische Hintergründe nicht äußern. Er bekräftigte, dass sein Mandant seinen noch fünf Jahre geltenden Vertrag erfüllen möchte. Medien berichten, dass Schmidts Jahresgehalt auf 450.000 Euro geschätzt werde.

Schwer abzuschätzen sind die Folgen der Freistellung und des vorangegangenen Brandbriefs der Chefärzte bezüglich Personalproblemen am Klinikum für das Image des Hauses. Sofortmittel wurden wie berichtet zwar freigegeben, Peters befürchtet aber „Unruhe“; die Entscheidung werfe kein gutes Licht auf das Klinikum. Er vermutet: „Darunter müssen vor allem die Mitarbeiter leiden.“

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