Berlin

Senat geht gegen Leiharbeit-Wildwuchs in Pflege vor

Die hohen Kosten, die durch Pflege-Leiharbeiter verursacht werden, ist insbesondere in Berlin ein Problem. Der Berliner Senat kündigt einen Entschließungsantrag an.

Von Anno Fricke Veröffentlicht:
Dilek Kalayci will gegen die zunehmende Leiharbeit in der Pflege vorgehen.

Dilek Kalayci will gegen die zunehmende Leiharbeit in der Pflege vorgehen.

© Jordan Raza / picture-alliance

Berlin. Der Berliner Senat fordert Maßnahmen gegen den Wildwuchs der Leiharbeit in der Pflege in Krankenhäusern und in Altenheimen. Am Montag hat der Senat auf Vorlage von Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci beschlossen, einen Entschließungsantrag dazu in den Bundesrat einzubringen.

Damit soll der Bundestag aufgefordert werden, die Leiharbeit in der Pflege weitgehend einzuschränken. Auf manchen Stationen in Berliner Kliniken ist jede dritte Pflegekraft von einer Zeitarbeitsfirma entsandt. Bundesweit verursachten die Leiharbeitskräfte in der Pflege hohe Kosten und organisatorische Probleme, meldet der Anbieterverband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG).

Die Verleihfirmen könnten ihre Gewinne maximal steigern, ohne eine rechtliche Verantwortung für die Pflege übernehmen zu müssen. „Durch Leiharbeit sind Patientensicherheit, Pflegequalität und Versorgungssicherheit gefährdet. Die Belastung für die festangestellten Pflegekräfte steigt“, stellte Senatorin Kalayci fest.

Ziel der Berliner Senatsvorlage sei, die Vergütung und die Arbeitsbedingungen in der Pflege attraktiver zu machen. Der Anteil der Leiharbeit in der Pflege liegt laut AVG bei zwei Prozent. Die Tendenz sei steigend.

Verbot löst keine Probleme

Ein Verbot der Leiharbeit werde die Probleme in der Pflege nicht lösen, reagierte der Deutsche Pflegerat (DPR) auf den Vorstoß. „Die Zeitarbeit ist ein Symptom für die Krise in der Pflege.

Sie hat ihren Ursprung in den unzureichenden Arbeitsbedingungen, im Personalmangel und in schlechten Personalschlüsseln, die eine Kompensation bei einem Ausfall des Stammpersonals nicht erlauben“, sagte DPR-Präsident Franz Wagner.

Wagner forderte eine Reaktion der Kostenträger. Sie seien es, die im Wesentlichen zu besseren Arbeitsbedingungen und Löhnen beitragen könnten. Für die Altenpflege müsse die Politik zudem ein ähnliches Signal aussenden wie für die Pflege im Krankenhaus. Dort würden in der Folge des Pflegepersonalstärkungsgesetzes alle zusätzlichen Stellen voll refinanziert.

Verleihfirmen diktieren oft Bedingungen

In den Pflegeeinrichtungen werden die Zeitarbeiter mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Ihre fachliche Kompetenz kann nur schwer eingeschätzt werden. Zudem diktieren die Verleihfirmen oft die Bedingungen, zum Beispiel Kernarbeitszeiten von 8 bis 17 Uhr.

Für das festangestellte Personal bleiben die ungünstigen Schichten. Zudem liegen die Löhne in der Zeitarbeit meist höher als beim Stammpersonal. Selbst beim Deutschen Pflegerat herrscht Verständnis dafür, dass zunehmend Pflegefachkräfte zu Zeitarbeitsfirmen abwandern.

Dass die Initiative von Berlin ausgeht, liegt daran, dass die Hauptstadt stärker betroffen ist als der Bundesdurchschnitt.

Nach Einschätzung der Berliner Landeskrankenhausgesellschaft beträgt der Anteil von Leiharbeitskräften in Berliner Kliniken durchschnittlich sieben Prozent, auf manchen Stationen bis zu 30 Prozent. „Eine klare, spürbare Eindämmung von Leiharbeit in der Pflege ist ein Muss“, heißt es in einer Stellungnahme der Krankenhausgesellschaft.

Bis zu 200 Prozent Preissteigerung

Die Pflegepersonal- und Sachkosten in den Einrichtungen seien durch den Einsatz von Leihkräften um bis zu 200 Prozent gestiegen, heißt es beim Anbieterverband qualitätsorientierter Gesundheitseinrichtungen.

Zwischen 2014 und 2018 sei die Zahl der Leiharbeitskräfte in der Krankenpflege von 12.000 auf 22.000 gestiegen. Auch in der Altenpflege ziehe die Nachfrage an. In den vergangenen fünf Jahren sei dort die Zahl der Leiharbeiter von 8000 auf 12.000 gestiegen.

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