Medizinal-Cannabis

Als ein Urteil Schmerzpatienten neue Hoffnung brachte

Ein Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts erwies sich vor fünf Jahren als Meilenstein für den schmerztherapeutischen Einsatz von Cannabis.

Margarethe UrbanekVon Margarethe Urbanek Veröffentlicht:
Seit dem Urteil zum Cannabis-Eigenanbau hat sich die Rechtslage für Schmerzpatienten verbessert.

Seit dem Urteil zum Cannabis-Eigenanbau hat sich die Rechtslage für Schmerzpatienten verbessert.

© Africa Studio / stock.adobe.com

NEU-ISENBURG. Vor fünf Jahren bringt das Kölner Verwaltungsgericht mit einer für Deutschland wegweisenden Urteil einen Stein ins Rollen, der bis heute in Bewegung ist – politisch, gesellschaftlich, medizinisch.

Das Gericht erlaubt damals Schmerzpatienten den Cannabis-Eigenanbau – in Einzelfällen und nach eingehender Prüfung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) – und stellt damit die bisherige restriktive Genehmigungspraxis zulasten von Schmerzpatienten in Frage.

Eine Erlaubnis zur Eigenherstellung für Schmerzpatienten sei möglich, so der Vorsitzende Richter damals, wenn Cannabis das einzige Mittel sei, das Schmerzen lindere und es keine Behandlungsalternative gebe.

Etappensieg oder Klatsche?

Geklagt hatten Schmerzpatienten, die zwar eine Ausnahmegenehmigung des BfArM für den Erwerb medizinischen Cannabis hatten, die die teuren Produkte aber kaum finanzieren konnten. Die Krankenkassen kamen dafür nicht auf. Der damalige Grünen-Sprecher für Drogenpolitik, Harald Terpe, bewertete das Urteil als „erneute Klatsche“ für die Bundesregierung, die schwer kranken Menschen aus ideologischen Motiven die Genehmigung zum Eigenanbau von Cannabis verweigere.

In der Retrospektive war das Urteil ein Etappensieg, der die politische und gesellschaftliche Debatte um Medizinalhanf vorangebracht hat – und im März 2017 in einer Novelle des Betäubungsmittelgesetzes mündete. Darin wurde erstmals die Verordnung von Cannabis zu Therapiezwecken geregelt.

Bis zu dieser Liberalisierung war medizinisches Cannabis in Deutschland eine Nische. Eine Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenkasse war außerhalb der Indikation MS-Spastiken für Betroffene nur schwer zu erhalten. Vor der Novelle verfügten bundesweit 1004 Patienten über einen solchen Bescheid. Allerdings starben seit Februar 2015 noch elf Patienten, bevor ihr Antrag vom BfArM beschieden wurde. Mit dem Gesetz entscheiden seitdem allein Ärzte über die medizinische Notwendigkeit. Doch der Gesetzgeber hat auch die Genehmigung der Verordnung durch die Kasse vorgeschrieben.

Ernüchterung statt Euphorie

Die deutsche Presselandschaft bezeichnete das Gesetz damals als „Sensation im deutschen Gesundheitswesen“. Schmerzpatienten setzten Hoffnung in die erweiterten Optionen der Schmerztherapie: Die Zahl der Cannabis-Verordnungen stieg allein im ersten Jahr um das 2,5-Fache auf 198.285 Verordnungen 2018 (Quelle: ABDA). Anfang dieses Jahres ist rund 40.000 Patienten medizinisches Cannabis verordnet worden, heißt es beim Verband der Cannabis Versorgenden Apotheken.

Bei aller Euphorie um die schrittweisen Verbesserungen beim Zugang zu Medizinalhanf, gab es auch Nachbesserungsbedarf. Im Juni hat die Bundesregierung das Arzneigesetz GSAV (Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung) verabschiedet.

Es sieht Anpassungen beim Procedere der Cannabisverordnung vor. Seither ist nach einmal erfolgter Genehmigung kein erneuter Antrag bei der Krankenkasse im Falle einer Anpassung der Dosierung oder eines Wechsels der Blütensorte notwendig. Hintergrund für diese Nachjustierung sind Ablehnungsquoten der Krankenkassen von 30 bis 40 Prozent – obwohl die Therapie medizinisch indiziert war.

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