Auf den Spuren nonverbaler Kommunikation

Die Besucher im Frankfurter Museum für Kommunikation setzen sich zunächst schalldichte Kopfhörer auf - dann kann er beginnen: der "Dialog in der Stille".

Von Pete Smith Veröffentlicht:
Tanzende Hände: Gruppenerlebnis in einer Welt der Stille - mit Menschen, die sich erst wenige Minuten vorher kennengelernt haben.

Tanzende Hände: Gruppenerlebnis in einer Welt der Stille - mit Menschen, die sich erst wenige Minuten vorher kennengelernt haben.

© Irina Zirkuschka

FRANKFURT/MAIN. Keine Geräusche, keine Klänge, keine Stimmen - wer dieser Tage das Museum für Kommunikation in Frankfurt am Main besucht, taucht ein in eine Welt der Stille. Irritierend ist das für den an Lärm gewohnten Städter, für die Initiatoren der Ausstellung ist es ein einzigartiges Experiment: ein einstündiger "Dialog im Stillen".

Sandra empfängt die Besucher am Eingang der Ausstellung. Wortlos fordert sie sie auf, sich einen schalldichten Kopfhörer aufzusetzen und ihr in die Stille zu folgen. Hier sind gesprochene Worte tabu, ebenso wie Klatschen oder Fingerschnipsen oder andere Geräusche, mit denen man sich normalerweise Aufmerksamkeit verschafft.

Botschaften werden mit den Händen kommuniziert.

Botschaften werden mit den Händen kommuniziert.

© Lutz Kampert

Fünf Stationen hat der Erlebnisparcours, jede versehen mit einem Namen. "Tanz der Hände" ist der Titel der ersten Station. Die Besucher stehen um einen weißen Tisch herum, der von oben beleuchtet wird. Sandra fordert sie gestenreich auf, mit ihren Fingern Figuren zu erfinden, Schattenspiele, durch die die Nachbarn miteinander in Kontakt treten, eine erste Annäherung an eine nonverbale Kommunikation, die in einem gemeinsamen Schattenbild aller zwölf Teilnehmer endet.

Dem "Tanz der Hände" folgt die "Galerie der Gesichter". Wieder stehen die Besucher im Kreis, jeder vor einem beleuchteten Rahmen, und versuchen nach Sandras Anleitung verschiedenen Stimmungen mimisch Ausdruck zu verleihen. Erstaunlich, wie schnell sich die einander fremden Gruppenteilnehmer auch ohne Worte verstehen.

Im "Forum der Figuren" gilt es, sich durch Körper- und Gebärdensprache auszudrücken. Sandra gibt Wörter vor, die Gemütszustände wie Wut oder Trauer beschreiben und die man durch Pantomime erklären soll. Das erfordert Mut, aber wer sich in eine Welt ohne Worte begibt, dem bleibt gar nichts anderes übrig, als sich auf diese Weise verständlich zu machen.

Die vierte Station, das "Spiel der Zeichen", setzt auf Gruppendynamik. Zwei Teams treten gegeneinander an. Bildtafeln müssen erinnert und mit passenden Gesten bezeichnet werden. Das verlangt ein gutes Gedächtnis, auf das Gehörlose im Alltag angewiesen sind. Der nonverbale Austausch über die richtige Lösung bringt die Teammitglieder noch näher zusammen und hilft darüber hinaus dem Einzelnen, auch die letzten Hürden zu überwinden.

Schließlich führt Sandra ihre Besucher in die "Spür-Bar", wo sie die zuvor erlernten Gesten und Ausdrucksformen erproben können. Zustimmung, Lob, Dank oder Freude - das lässt sich auch ohne Worte ausdrücken. Selbst eine kurze Unterhaltung ist auf diese Weise möglich - das hätte sich vor einer Stunde wohl niemand der Teilnehmer zugetraut.

Die Erlebnisführung endet mit einem Abschlussgespräch, bei dem ein Gebärdendolmetscher die Fragen der Besucher und Sandras Antworten übersetzt. Sandra, so erfahren die Besucher, ist seit ihrer Geburt gehörlos, ebenso wie ihre Eltern und ihre Brüder.

Sie ist gelernte Bauzeichnerin und davon überzeugt, dass Gehörlose inzwischen jeden Beruf erlernen können, ausgenommen vielleicht den Pilotenberuf, da die Cockpits noch nicht mit Monitoren ausgestattet sind, die zwischen Worten und Gebärden vermitteln.

Die Idee zur Ausstellung "Dialog im Stillen" hat Dr. Andreas Heinecke entwickelt, der mit seiner auf die Erfahrungswelt Blinder zielenden Konzeption "Dialog im Dunkeln" weltweit Erfolge feierte. Jene ist inzwischen zu einer festen Institution geworden, etwa als Dialogmuseum in Frankfurt am Main. Nicht ausgeschlossen also, dass es irgendwann auch eine Dauereinrichtung "Dialog im Stillen" gibt.

Die Ausstellung "Dialog im Stillen" ist noch bis zum 28. Februar 2011 im Museum für Kommunikation, Schaumainkai 53, in Frankfurt am Main zu sehen. Die Öffnungszeiten sind Dienstag bis Freitag von neun bis 18 Uhr, Samstag, Sonntag und an Feiertagen von elf bis 19 Uhr.

Zu den einstündigen Erlebnis-Führungen sollte man sich vorher anmelden: Telefon 069-6060499 oder E-Mail dialog-im-stillen@mspt.de

www.mfk-frankfurt.de

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Neuer Verschlüsselungsalgorithmus in der TI

gematik verlängert Frist für Austausch der E-Arztausweise

Schwierige Therapiesituation

Kopfschmerzen bei Kindern: Diese Optionen gibt es

Lesetipps
Mit einer eher seltenen Diagnose wurde ein Mann in die Notaufnahme eingeliefert. Die Ursache der Hypoglykämie kam erst durch einen Ultraschall ans Licht.

© Sameer / stock.adobe.com

Kasuistik

Hypoglykämie mit ungewöhnlicher Ursache

Die Glaskuppel zur Notfallreform: Zustimmung und Zweifel

© undrey / stock.adobe.com

Kolumne aus Berlin

Die Glaskuppel zur Notfallreform: Zustimmung und Zweifel