Flüchtlinge

Der Spaßbus

Acht Jahre nach Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien sind viele im benachbarten Libanon untergekommen – darunter zahlreiche Kinder. Ein Spaßbus-Projekt macht ihr Leben in den Straßen von Beirut ein bisschen leichter.

Von Weedah Hamzah und Gaby Mahlberg Veröffentlicht:
Syrische Flüchtlingskinder gehen zum "Fun Bus". Das Ziel des Projektes ist Straßenkinder zu unterstützen und ihnen Freizeitangebote zu bieten, sodass sie nicht arbeiten gehen müssen.

Syrische Flüchtlingskinder gehen zum "Fun Bus". Das Ziel des Projektes ist Straßenkinder zu unterstützen und ihnen Freizeitangebote zu bieten, sodass sie nicht arbeiten gehen müssen.

© Marwan Naamani/dpa

BEIRUT. Im noblen Geschäftsviertel Raouché der libanesischen Hauptstadt Beirut freut sich eine kleine Gruppe syrischer Flüchtlingskinder auf einen blau-weiß-lila Bus. Eigentlich verkaufen die sieben Kinder im Alter von sechs bis fünfzehn Jahren hier in der Stadt Taschentücher, CDs, Blumen und Kaugummi, um ihre Familien finanziell zu unterstützen. Manche betteln auch.

Aber in dem „Fun Bus“ (Spaßbus) können sie für ein paar Stunden Pause machen und unter der Anleitung zweier Sozialarbeiterinnen mit anderen Kindern in ihrem Alter lernen, malen, singen und spielen. Gefördert wird das Projekt von der Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen (UNHCR) und der Europäischen Union.

Psychosoziale Unterstützung

„Der Fun Bus war ein gutes Hilfsmittel, um diese Kinder von der Straße herunter zu bekommen und ihnen psychosoziale Unterstützung sowie Grundkenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen zu vermitteln“, erklärt Jussif Tabsch von der libanesischen Makhzoumi-Stiftung, die für die Umsetzung des Projekts verantwortlich ist, der Deutschen Presse-Agentur.

Seit seiner Gründung 2017 hat das Fun-Bus-Projekt mithilfe der Nicht-Regierungsorganisation bereits Hunderte Kinder auf den Straßen von Beirut und seiner Umgebung erreicht. Die meisten von ihnen gehören zu den knapp 950.000 Flüchtlingen, die im Libanon gemeldet sind.

Seit dem Aufstand gegen Präsident Baschar al-Assad 2011 und dem Ausbruch des Krieges sind Millionen von Syrern in das südwestliche Nachbarland an der Mittelmeerküste geflohen. Zwar sind nach der Beruhigung der Lage in den vergangenen Monaten einige Flüchtlinge nach Syrien zurückgekehrt. Doch viele andere zögern noch und warten darauf, dass ihnen die internationale Gemeinschaft eine sichere Rückkehr garantiert.

Lehrstunden über Hygiene

Im Fun Bus lernen die Kinder über Hygiene und wie man den Gefahren der Straße aus dem Weg gehen kann, erklärt Tabsch. Eine der Herausforderungen bestehe darin, das Vertrauen der Kinder zu gewinnen, erklärt Farach Barbar, die als Fall-Managerin für die Makhzoumi-Stiftung arbeitet. Sie will erreichen, dass die Kinder zurückkommen und auch andere mit dem Projekt bekannt machen, sodass die Helfer mit den Familien als Ganzes arbeiten können.

Nach Schätzungen des UNHCR sind über 98 Prozent derer, die an dem Projekt für arbeitende und Straßenkinder im Libanon teilnehmen, Syrer. Darunter auch der 14-jährige Fardus und der 11-jährige Nassir. Die Brüder sind vor einem Jahr vor Angriffen der syrischen Regierungstruppen aus ihrem Heimatdorf in der Nähe der Stadt Idlib im Westen des Landes geflohen.

„Mein Bruder und ich arbeiten von acht bis siebzehn Uhr auf den Straßen in der Nähe des Flughafens von Beirut. Wir verkaufen Taschentücher, um unserem Vater zu helfen, die Miete für das Zimmer zu zahlen, in dem wir leben“, sagt Fardus.

Er träumt davon, ein Ingenieur zu sein. Sein Bruder Nassir will Arzt werden. Doch wegen des Krieges mussten beide ihre Schule in der Heimat verlassen. Keiner von ihnen kann lesen oder schreiben. „Wir würden die Straße gern für immer verlassen und zur Schule gehen“, sagt Fardus. „Straßen sind keine sicheren Orte für Kinder in unserem Alter“, fügt er hinzu.

Bis sich die wirtschaftliche Situation ihrer Eltern verbessert, können die beiden erst einmal die zwei Stunden im Fun Bus genießen.

Viele Kinder müssen mitarbeiten

„Viele der syrischen Flüchtlinge leben unter der Armutsgrenze. Deshalb zwingen Familien ihre Kinder schon sehr jung zum Arbeiten, um zu ihrem Unterhalt beizutragen“, sagte die UNHCR-Mitarbeiterin Laura Almirall. Bisher habe das Projekt rund 150 Kinder von der Straße geholt, sagt sie. Sie hofft, dass es bald noch mehr werden.

Einige der syrischen Flüchtlingskinder arbeiten zehn Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, wie auch Ilham und ihr Bruder Muas. Sie entkamen ihrem Dorf Hadschin, als die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) die Region im Osten Syriens 2014 einnahm. Jetzt wollen sie mit anderen Kindern in Sicherheit spielen und lernen.

„Mein einziger Wunsch ist, Lesen und Schreiben zu lernen und wie andere Kinder in meinem Alter zu sein“, sagte die 9-jährige Ilham, die auf der Straße Taschentücher verkauft. Ihre Mutter Sahra klagt unter Tränen, dass sie ihren Kindern kein besseres Leben bieten kann. „Der Krieg in unserem Land hat uns daran gehindert, unseren Kindern die richtigen Umstände zu bieten, wie andere Kinder zu leben. Manchmal können wir ihnen nicht einmal Brot geben.“(dpa)

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