UND SO SEH´ ICH ES

Der honorarpolitische Zynismus hat seinen Ursprung in der Antike

Veröffentlicht:

Der Philosoph Diogenes von Sinope suchte einen Menschen - die Kassenärzte suchen auch danach. Viele Vertragsärzte glauben, die Gründe ihrer schlechten materiellen und psychischen Verfassung lägen im ideologisch-philosophischen Konzept der Verantwortlichen für das Gesundheitswesen. Doch das stimmt so nicht!

Erstens ist es zweifelhaft, ob die Schöpfer der bisherigen Reformen überhaupt an irgendetwas gedacht haben, als sie begannen, hin und her zu reformieren - und wenn, dann wohl nur an die Kosten und deren Minimierung. Und sollte trotzdem irgendeine philosophische Doktrin dahinter stecken, dann höchstens die der alten griechischen Philosophen, wie von Diogenes von Sinope. Wobei man das "von Sinope" hinzufügen sollte, denn es gibt unzählige "Diogenes", die alle Kluges und Wissenswertes hinterlassen haben.

Bleibt den Ärzten nur die Askese als finanzierbare Lebensform?

Warum aber von Diogenes, könnte man fragen. Der lebte doch runde vierhundert Jahre vor Christus und hatte etwas völlig anderes im Sinn als unser Gesundheitswesen. Diogenes von Sinope war der bekannteste Vertreter der philosophischen Richtung der Kyniker, von denen sich der heutige Zynismus ableitet - und da wären wir schon ganz nah an den heutigen Zeiten; denn was den Ärzten heutzutage als Honorar angeboten wird, ist eigentlich Zynismus.

Diogenes von Sinope predigte seinen Schülern, sie sollten auf alle kulturellen Güter verzichten, er nannte das Askese: Er selbst hatte keinerlei Besitz, wohnte in einer Tonne und ernährte sich von dem, was ihm seine Schüler brachten. Heute sieht es ganz so aus, als wollten die Verantwortlichen im Gesundheitswesen diese Askese auch den Ärzten predigen. Dabei bleibt offen, ob sie sich auch in eine Tonne zurückziehen und dort praktizieren sollen.

Man erzählt sich, dass Diogenes von Sinope am helllichten Tag mit einer Laterne in der Hand über den Marktplatz von Athen ging. Er leuchtete hier einem, dort einem ins Gesicht, schüttelte den Kopf und ging weiter, so lange, bis ihn einer fragte, was er denn suche. "Ich suche", sagte Diogenes, "ich suche einen Menschen."

Grundlage der Humanmedizin ist seit eh und je die Menschlichkeit gewesen. Die heutige Reduzierung der Heilkunde auf rein Ökonomisches, das nicht den Kranken, sondern allein die Kosten im Fokus hat und den Patienten geradezu als Störfaktor ansieht, ist inhuman und grenzt an Unmenschlichkeit. Diogenes hat keinen Menschen gefunden. Und auch wir sind derzeit in der Gesundheitspolitik erfolglos auf der Suche nach Menschlichkeit - meint

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Jahresbericht des RKI

HIV-Neuinfektionen: Das sind die Zahlen aus 2024

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Gegen unerwartete Gesprächssituationen gewappnet

Tipps für MFA: Schlagfertigkeit im Praxisalltag

Lesetipps
HSK im Fokus: Der Hauptstadtkongress 2024 findet von 26. bis 28. Juni in Berlin statt.

© Rolf Schulten

Themenseite

Hauptstadtkongress: Unsere Berichte im Überblick

Zu hohe Drehzahl: Hochtouriges Fahren überhitzt bekanntlich den Motor und beschleunigt den Reifenabrieb. Genauso kann zu viel L-Thyroxin, speziell bei Älteren, nicht nur Herz und Kreislauf überlasten, sondern auch die Knochen schwächen.

© Michaela Illian

Überbehandlung mit Folgen

Schilddrüsenhormone: Zu viel L-Thyroxin bringt Knochen in Gefahr