Die Schweiz bildet zu wenig Ärzte aus - aber importiert sie kräftig

Ein Blick in den Stellenteil zeigt es: In der Schweiz ergeben sich für Ärzte und Psychotherapeuten aus Deutschland attraktive Arbeitsmöglichkeiten. Die Eidgenossen bilden zu wenig Ärzte aus -  und sparen dadurch viel Geld.

Von Sabine Schiner Veröffentlicht:
Kräftiges Fahnenschwenken ist nicht nötig: In der Schweiz ziehen attraktive Arbeitsbedingungen ohnehin viele Ärzte und Psychotherapeuten an. © imago

Kräftiges Fahnenschwenken ist nicht nötig: In der Schweiz ziehen attraktive Arbeitsbedingungen ohnehin viele Ärzte und Psychotherapeuten an. © imago

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FRANKFURT/BERN. Deutsche Psychiater und Psychotherapeuten haben in der Schweiz eine gute Chance, eine Stelle zu bekommen. "In den Kliniken können Assistenzarztstellen schon lange nicht mehr mit eigenem Nachwuchs besetzt werden", sagt Professor Werner Strik, Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Psychiatrie in Bern. Er kommt selbst aus Deutschland und arbeitet mittlerweile seit elf Jahren in der Schweizer Hauptstadt.

Die KBV in Berlin hatte 2008 die Stellenangebote aus dem Ausland im "Deutschen Ärzteblatt" analysiert: Die Schweiz stand mit 546 Stellenofferten an erster Stelle. Psychiatrie und Psychotherapie zählten mit 109 Stellengesuchen zu den gefragten Fachgruppen. "Es werden schlicht zu wenig Ärzte ausgebildet", sagt Strik, der auch Mitglied im Vorstand der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP) ist.

Die hohen Zahlen erklärten sich durch den großen Bedarf: "Wir sind das drittgrößte Fach der Medizin." Trotzdem bildeten Länder wie Deutschland, Österreich oder auch viele osteuropäische Länder wesentlich mehr Ärzte aus als die Schweiz. Strik: "Es entsteht eine Art Wohlstandsgefälle." Die Ärzte wanderten in die Schweiz aus - die wiederum profitiere ökonomisch davon, weil sie weniger Ärzte ausbilden müsse. "Sie plündert damit das Bildungswesen der Nachbarländer, indem fertig ausgebildete Ärzte importiert werden."

Die SGPP und die Schweizerische Vereinigung Psychiatrischer Chefärzte haben eine Taskforce zur Förderung des Nachwuchses gegründet. Der Altersdurchschnitt der praktizierenden Psychiater in der Schweiz liegt im Schnitt bei 55 Jahren. Unter anderem soll der Mangel an Fachkräften aus dem eigenen Land durch eine Überarbeitung der Weiterbildung verbessert werden. Wie es in der "Schweizerischen Ärztezeitung" heißt, soll zudem die Zahl der Studienplätze an den Bedarf im schweizerischen Gesundheitswesen angepasst werden. Höhere Gehälter sollen zusätzlich finanzielle Anreize für junge Kollegen bieten, bei dem Fach Psychiatrie zu bleiben.

Nach Angaben von Strik sind die Arbeitsbedingungen für Ärzte in der Schweiz in der Regel besser, das Gehalt höher als in den Nachbarländern. Doch Geld sei nicht alles.

Jungen Ärzten gehe es auch um soziale, ethische und intellektuelle Werte und ums Prinzip der Menschlichkeit: "Damit setzen wir uns hier, in guter schweizerischer Tradition, trotz des zunehmenden Kostendrucks immer noch auseinander." Für ihn persönlich kommt noch ein weiterer Pluspunkt hinzu: "Die Schweiz ist ein unvergleichlicher geografischer Ort - einer der schönsten dieser Welt."

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