Agent Orange

Die vergessenen Opfer

Die USA und Vietnam machen 40 Jahre nach dem Sieg der Kommunisten eifrig Geschäfte. Der Krieg spielt keine Rolle mehr. Aber Millionen Agent Orange-Opfer fühlen sich im Stich gelassen.

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Das zweieinhalbjährige Mädchen Hai Yen wird in einem Orthopädiezentrum in Hanoi in Vietnam behandelt. Die Kleine ist ein Opfer von Agent Orange - ihr linkes Bein ist verkrüppelt.

Das zweieinhalbjährige Mädchen Hai Yen wird in einem Orthopädiezentrum in Hanoi in Vietnam behandelt. Die Kleine ist ein Opfer von Agent Orange - ihr linkes Bein ist verkrüppelt.

© Christiane Oelrich / dpa

HO-CHI-MINH-STADT. Vor 40 Jahren, am 30. April 1975, fiel die südvietnamesische Stadt Saigon, das letzte von den Amerikanern gestützte Bollwerk gegen die Kommunisten aus Nordvietnam.

Die Amerikaner flohen in Hubschraubern aus Saigon, heute Ho-Chi-Minh-Stadt. Der US-Militäreinsatz war da schon seit zwei Jahren zu Ende, doch stützten tausende "Berater" das südvietnamesische Regime bis zuletzt. Der "amerikanische Krieg", wie es in Vietnam heißt, ist Geschichte, aber die Folgen nicht.

Am Flughafen Danang wurden tausende Giftfässer gelagert, Entlaubungsmittel wie das dioxinhaltige Agent Orange, das wie die USA nach Klagen von betroffenen US-Veteranen später zu Hause einräumten, schwere Gesundheitsschäden und Geburtsfehler in den nachfolgenden Generationen verursachen kann.

150 000 Kinder mit Behinderungen

Drei Millionen Menschen haben nach offiziellen Angaben in Vietnam Folgeschäden, mindestens 150 000 Kinder wurden mit Behinderungen geboren.

Es sind Soldaten, die den giftigen Chemikalien ausgesetzt waren, aber vor allem deren Kinder und Enkel. Noch heute kommen Kinder mit Behinderungen auf die Welt, die in den USA seit Jahren als typische Folgen von Dioxin-Vergiftung anerkannt sind.

Der Gifteinsatz, "Operation Ranch Hand", begann 1962 und dauerte neun Jahre. 75 Millionen Liter Entlaubungsmittel und Unkrautvernichter wurden versprüht, um Ernten zu zerstören und Dschungelkämpfer auf ihren Geheimpfaden aus der Luft besser sehen zu können.

"Agent Orange wurde in einer 50 mal höheren Konzentration versprüht als für die Zerstörung von Pflanzen empfohlen", schreibt das amerikanische Aspen-Institut. "Viele Böden sind bis heute vergiftet und nicht produktiv."

Den "größten chemischen Kriegsangriff der Weltgeschichte" nennen das später US-Veteranen, die die "Kampagne Vietnam Agent Orange Hilfe und Verantwortung" gründen.

2,6 Millionen US-Opfer

In den USA wurden 2,6 Millionen US-Veteranen als Agent-Orange-Opfer anerkannt. Die Veteranenbehörde hat Milliardenbeträge an sie und ihre Nachkommen ausgezahlt. Mehr als 20 Krankheiten gelten als direkte Folge von Agent Orange, darunter Leukämie, Prostatakrebs, Wirbelsäulenspalt, Nervenleiden, Diabetes, Parkinson.

Direkte Verantwortung für die Opfer in Vietnam lehnen die USA zwar ab. Sie fördern aber Programme für Behinderte in Vietnam, immer mit dem klaren Zusatz: "unabhängig davon, was die Ursache ist".

Die halbstaatliche vietnamesische Organisation der Agent-Orange Opfer (Vava) ist empört, dass die vietnamesischen Opfer leer ausgehen. "Das US-Militär war relativ kurz hier. Aber wir müssen mit den Konsequenzen über Generationen leben", sagt Generalsekretär Nguyen The Luc.

Geburtsschäden erst in dritter Generation

"Hunderttausende sind schon gestorben, in manchen Familien ist fast eine ganze Generation ausgelöscht." In vielen Familien tauchten die Geburtsschäden erst in der dritten Generation auf.

Mehr als 15 Jahre nach Kriegsende begann die kanadische Umweltconsultingfirma Hatfield in den 90er Jahren Bodenproben zu nehmen. "Die mit Entlaubungsmittel besprühten Wälder und Felder waren nicht mehr mit hohen Dioxin-Konzentrationen verseucht", sagt Hatfield-Biologe Thomas Boivin. "Aber rund um die damaligen US-Luftwaffenstützpunkte sieht es anders aus."

Wo die Chemikalien damals gelagert wurden, sind die Böden bis heute verseucht. Hatfield identifizierte mehrere "Hotspots", unter anderem Bien Hoa bei Ho-Chi-Minh-Stadt und den Flughafen von Danang.

Bei den Anwohnern, die in einem Teich auf dem Flughafengelände fischten, wurden 2009 hohe Dioxin-Konzentrationen nachgewiesen, ebenso in den Fischen. 2012 begannen die USA, die verseuchten Böden zu reinigen.

Die Amerikaner haben für die Reinigung einen gigantischen "Ofen" aus Beton gebaut, eine meterhohe Anlage so groß wie ein Fußballfeld. Für die Aktion hat die US-Regierung 84 Millionen Dollar bereitgestellt. (dpa)

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