Arzt in Ost-Ghuta

"Du siehst in den Augen der Kinder die Furcht"

Die syrische Regierung greift das belagerte Rebellengebiet Ost-Ghuta unerbittlich an. Hunderte Zivilisten starben oder wurden verletzt. Die Krankenhäuser sind kaum noch in der Lage, Opfer zu versorgen. Der Arzt Fais Urabi lebt in Ost-Ghuta und berichtet über die dramatischen Zustände vor Ort.

Von Jan Kuhlmann und Weedah Hamzah Veröffentlicht:
Fais Urabi (M.), Sprecher der Gesundheitsbehörde des von Rebellen kontrollierten und von Regierungstruppen angegriffenen Gebiets bei Damaskus, behandelt einen Patienten.

Fais Urabi (M.), Sprecher der Gesundheitsbehörde des von Rebellen kontrollierten und von Regierungstruppen angegriffenen Gebiets bei Damaskus, behandelt einen Patienten.

© Fais Urabi / dpa

Fais Urabi

Der Arzt Fais Urabi ist 48 Jahre alt. Er ist Sprecher der Gesundheitsbehörde in der von Rebellen kontrollierten Region östlich der Hauptstadt Damaskus.

Fais Urabi: Die Lage ist elendig. Es ist nicht leicht für uns, zu schlafen oder ein normales Leben zu führen. Alle Menschen hier leben unter der Erde, um Schutz zu haben. Hier ist es voller Kinder, Frauen und Männer.

Wir hören den Lärm der Bombardierung den ganzen Tag und die ganze Nacht, überall. Die Menschen können nicht mehr schlafen. Das ist die schwierigste Zeit meines Lebens, vor allem in dieser Woche.

Ich bin zweimal dem Tod entgangen, als ich versuchte, zur Arbeit zu kommen oder meine Familie aus dem Haus zu bringen. Selbst unter der Erde denken wir, wir könnten jeden Moment verletzt werden.

Wie sieht das tägliche Leben der Menschen aus?

Urabi: Der Untergrund eignet sich nicht für ein normales Leben. Hier in Ost-Ghuta gibt es sehr wenige Zufluchtsorte, in denen die Menschen sicher sind. Gestern zum Beispiel hat ein Hubschrauber mit einer Fassbombe einen Schutzraum unter der Erde zerstört, wo mehr als 40 Menschen Zuflucht gesucht hatten. Unter den Toten waren Frauen und Kinder. Die Menschen im Untergrund haben kein Wasser, nichts für die Hygiene, kein Essen, keine Stromversorgung.

Wie ist die Lage in den Krankenhäusern?

Urabi: Die Lage ist schwierig, denn es gibt eine so große Zahl an Verletzten. Ost-Ghuta liegt seit mehr als fünf Jahren unter einer strikten Blockade. Deswegen fehlen medizinische Geräte, Medikamente und anderes Material. Oft müssen die Ärzte bei der Behandlung abwägen, was sie machen. Ihre Hoffnung auf Erfolg ist nicht groß.

Das medizinische Personal leidet, weil es sehr lange am Stück arbeiten muss, im Operationsraum oder bei Notfällen. Manchmal ist es nicht leicht, eine Ambulanz zu einem Angriffsort zu bekommen, weil die Angreifer dasselbe Gebiet noch einmal bombardieren könnten.

Was bedeutet die Lage für die Kinder?

Urabi: Die Kinder gehen seit zwei oder drei Monaten nicht mehr zur Schule. Sie haben Angst. Du siehst in ihren Gesichtern die Furcht vor dem Lärm der Flugzeuge, der Hubschrauber oder vor Bombardierungen. Es ist leider eine sehr katastrophale Situation.

Denken Sie manchmal, dass es besser wäre aufzugeben?

Urabi: Ich kämpfe nicht, ich bin ein Arzt, ich helfe den unschuldigen Menschen hier. Das ist unser Land, das ist unsere Heimat, es ist unser Recht, hier zu bleiben. Niemand hat das Recht, diese unschuldigen Menschen von ihrem Land wegzuholen.

Das Regime versucht mit Hilfe Russlands, des Irans und Chinas, alle Menschen hier zu töten und die Infrastruktur zu zerstören. In den vergangenen Tagen wurden mehr als 25 Gesundheitszentren zerstört, viele sind nun außer Betrieb. Zwei unserer Ärzte wurden getötet. Das ist inhuman und ein Verbrechen. Das ist Terrorismus gegen Zivilisten. (dpa)

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