Einblicke ins Seelenleben von Hikaru und Maria

Über Kinder mit Autismus gibt es immer noch viele gesellschaftliche Klischees - in Mangas und Comics wird dieses Problem zum Thema gemacht.

Von Freddy Litten Veröffentlicht:
Eine Mutter weint, weil sie mit den Reaktionen ihres autistischen Sohnes nicht klarkommt - Bild aus einem Manga von Keiko Tobe.

Eine Mutter weint, weil sie mit den Reaktionen ihres autistischen Sohnes nicht klarkommt - Bild aus einem Manga von Keiko Tobe.

© Keiko Tobe 2001

MÜNCHEN. Comics und japanische Manga müssen nicht nur der Unterhaltung von Kindern dienen. Eine gelungene Kombination von Bild und Text kann auch gesellschaftliches Verständnis für Probleme fördern, wie sie beispielsweise beim Umgang mit autistischen Kindern auftreten.

Keiko Tobe etwa schildert in ihrem Manga "With the light" ("Hikaru to tomo ni") aus der Sicht einer jungen japanischen Frau den Umgang mit einem autistischen Kind von der Geburt bis etwa ins Alter von 14 Jahren - auf mehreren tausend Seiten.

Ihr Sohn Hikaru ("Licht") zeigt bereits früh einige Besonderheiten, etwa wenn er sich nicht auf den Arm nehmen lassen will. Als Hikaru etwa zweieinhalb Jahre alt ist, sich sehr auffällig verhält und der Mutter Sachiko nicht einmal in die Augen sieht, kommt diese nicht mehr umhin, sich mit der bereits früher als Verdacht geäußerten Diagnose "Autismus" auseinander zu setzen.

Ursprünglich ist der Manga in der japanischen Frauenzeitschrift "For Mrs." erschienen, auch der Zeichenstil entspricht den Konventionen für diese Zielgruppe.

Comic Strip Conversations

Mit den 1994 von Carol Gray eingeführten "Comic Strip Conversations" wird eine Form des Comicstrips auch interaktiv zur Vermittlung sozialer Kompetenzen bei Kindern mit Autismusspektrumstörung eingesetzt. Unterhaltung findet hier in Form von wechselseitigen Zeichnungen zwischen Kind und Betreuer statt. Durch einfache Zeichnungen in Verbindung mit festgelegten Symbolen und Farben können betroffene Kinder im Idealfall ein problematisches Ereignis strukturiert nachvollziehen, zudem können durch die Betreuungsperson Gedanken und Gefühle anderer Menschen aufgezeigt und Verhaltensregeln angeboten werden.

Die "Comic Strip Conversations" fügen sich in ein Spektrum von Kommunikationshilfen für autistische Kinder ein, das vom reinen Bild (Piktogramm) über Cartoons und Comicstrips zu illustrierten Lerngeschichten reicht. Der tatsächliche Nutzen dieser Methoden ist wissenschaftlich nicht leicht zu belegen. Die Testgruppen sind meist klein und die Ergebniseinschätzung ist recht subjektiv. Allerdings gibt es auch keine Indizien, dass die Methode etwa eine verzögerte Sprachentwicklung zur Folge hätte. (litt)

Die Geschichte ist fiktiv. Tobe (ein Pseudonym), Anfang 2010 gestorben, schreibt nicht als selbst betroffene Mutter, sondern aufgrund von Recherchen. Dieser Manga wirkt gerade in der Darstellung der Menschen, die kein Verständnis für Hikaru haben, durchaus nachvollziehbar.

In einem anderer Comic zum Thema Autismus, erarbeitet von einem Mann, der als Vater eines autistischen Kindes selbst betroffen ist, wird das Verständnis der Leser allerdings auf eine viel härtere Probe gestellt. Miguel Gallardo, Zeichner für die in Barcelona erscheinende Zeitung "La Vanguardia" und Vater der zwölfjährigen Autistin Maria, schildert in seinem knapp 60 Seiten umfassenden Buch "Maria und ich" ("Maria y yo") eigene Erfahrungen.

Sein Comic, eigentlich eher ein illustrierter Text, handelt von einem Urlaub mit seiner Tochter Maria, die sonst bei ihrer Mutter lebt. Schauplatz ist der Süden Gran Canarias.

Für Gallardo ist Maria "die beste Tochter, die sich ein Vater wünschen kann". Doch Maria ist eben anders. Sie stößt zum Beispiel auf dem Flughafen laute Rufe aus, löst bei Reisenden Verärgerung und immer wieder erboste Blicke aus - Menschen reagieren auf das für sie nicht nachvollziehbare Verhalten mit Ignoranz, Verunsicherung, Abscheu.

Der Comic ist lohnenswert. Durch seine fast aggressive Art, das Umfeld darzustellen, vergibt Gallardo jedoch einen Teil seiner Chance, mehr Verständnis für autistische Kinder einzuwerben.

Gallardo, Maria & Miguel: Maria und ich. Berlin (Reprodukt) 2010. Tobe, Keiko: With the light. Raising an autistic child. 7 Bände. New York (Yen Press) 2007-2010.

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