Loveparade-Tragödie

Feuerwehrmann zieht vor Gericht

Gut fünf Jahre nach der Duisburger Loveparade-Katastrophe hat am Dienstag der erste Zivilprozess begonnen: Ein Feuerwehrmann, der unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet, klagt auf Schmerzensgeld.

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Bei der Massenpanik auf der Loveparade 2010 starben 21 Menschen.

Bei der Massenpanik auf der Loveparade 2010 starben 21 Menschen.

© Daniel Naupold / dpa

DUISBURG. Fünf Jahre nach der Loveparade-Katastrophe in Duisburg mit ihrer tödlichen Massenpanik wird juristisch ein neues Kapitel aufgeschlagen. Vor dem Landgericht Duisburg beschäftigen sich seit Dienstag Zivilrichter mit den Forderungen eines Feuerwehrmannes.

Der 53-Jährige aus Duisburg erlitt nach den Worten seiner Anwältin Bärbel Schönhof bei dem Einsatz eine posttraumatische Belastungsstörung. Er sieht das Land und den Veranstalter in der Pflicht.

Zum Auftakt machte das Gericht dem Mann wenig Hoffnung. „Wir sehen für Ihre Klage keine Aussicht auf Erfolg“, sagte der Vorsitzende Richter zum Auftakt der Verhandlung. „Bei Ihnen geht es um ein typisches Berufsrisiko, aus unserer Sicht.“

„Beobachter“ könnten kein Schmerzensgeld beanspruchen, auch wenn sie sichtbar schwer erkrankt seien, sagte der Richter. Man müsse direkt betroffen oder verletzt worden sein. Außerdem gebe es Ausnahmen wie zum Beispiel den Schockschaden naher Angehöriger.

Anwältin Schönhof fordert 90.000 Euro Schadenersatz und Schmerzensgeld. Ihr Mandant sei auf der Loveparade in eine lebensbedrohliche Bedrängnis geraten.

"Er ist in die Menschenmenge geschickt worden, weil der Funkverkehr abgerissen ist und weil die Bildübertragung gestört war", erklärt Schönhof.

Die Menschen hätten in Panik versucht, sich an den Kabeln hochzuziehen, an denen die Kameras angeschlossen waren.

"Es war wie im Krieg"

Ihr Mandant sollte nachschauen, was genau passiert war. "Er hat noch nie in seinem Leben so viel Todesangst in den Augen der anderen gesehen, berichtete er mir. Das war wie im Krieg", sagt Schönhof. "Und das soll Berufsrisiko sein?"

Dafür sei ein Feuerwehrmann nicht da. "Das ist vergleichbar damit, dass man ihn in ein brennendes Haus schickt und vorher die Sauerstoffschläuche durchschneidet." 21 Menschen waren durch die Massenpanik bei dem Technofestival im Juli 2010 ums Leben gekommen, mehr als 500 wurden verletzt.

Es ist der erste zivilrechtliche Prozess zur Loveparade - die strafrechtliche Aufarbeitung steckt nach wie vor im Zwischenverfahren fest.

Noch hat das Landgericht nicht entschieden, ob es die Anklageschrift wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung zulässt und es zu einer Hauptverhandlung kommt. Beschuldigt sind insgesamt zehn Mitarbeiter der Stadt und des Veranstalters.

Der Anwalt des beklagten Landes NRW, Ingo Minoggio, hält die Vorwürfe und Forderungen an das Land für ungerechtfertigt. Es gebe keine Fehler von beteiligten Polizeibeamten.

"Das ist ein ganz schreckliches Unglück. Aber nach allem, was wir wissen, gab es allenfalls Planungsfehler." Ein Anwalt des Veranstalters wollte sich nicht zu dem Fall äußern.

Nur wenig Wechselwirkung

Derzeit haben die Beteiligten bis zum 25. September Gelegenheit, zu einem ergänzten Gutachten des britischen Experten Keith Still Stellung zu nehmen. Die Einschätzungen des Panikforschers spielen in der Anklage eine zentrale Rolle.

Neben dem Antrag des Feuerwehrmannes sind acht weitere Zivilklagen und ebenso viele Prozesskostenhilfeanträge in Sachen Loveparade anhängig. Nach Angaben des Landgerichts handelt es sich überwiegend um Klagen von Besuchern, in einem Verfahren ist ein Ordner beteiligt.

Zivilsachen werden zwar vor den gleichen Gerichten verhandelt wie Strafprozesse, sie unterscheiden sich jedoch grundsätzlich. Während es beim Strafverfahren darum geht, die Schuld eines Täters festzustellen und der Staatsanwalt als Ankläger auftritt, werden vor dem Zivilrichter Forderungen zwischen Bürgern, Firmen oder Institutionen geklärt.

Wenn jemand der Ansicht ist, einen Schaden erlitten zu haben, muss er von sich aus das Verfahren um Schmerzensgeld und Schadensersatz anstrengen.

Gibt es zu einem Fall sowohl ein Zivil- als auch ein Strafverfahren, könne es sinnvoll sein, den Ausgang des jeweils anderen abzuwarten, erklärt der Geschäftsführer des nordrhein-westfälischen Bundes der Richter und Staatsanwälte, Thomas Hubert.

Oft gebe es jedoch wenig Wechselwirkungen. "Auch wenn Strafprozesse oft mehr Aufmerksamkeit erzeugen, geht es im Zivilverfahren für die Betroffenen teilweise um mehr."

Im Zivilrecht gebe es teils kürzere Verjährungsfristen als im Strafrecht - dies könnte ein Grund sein, solche Fragen der Entschädigung schneller zu klären, erläutert Hubert.

Aber selbst wenn in einem Zivilverfahren dann hohe Zahlungen verhängt werden, heiße das noch lange nicht, dass der Beschuldigte automatisch auch im Strafprozess verurteilt wird. (dpa)

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