Fußball-EM: Mammutaufgabe für Polens Kliniken

Das Großereigniss Fußball-EM stellt die staatlichen Kliniken in Polen vor große Herausforderungen. Jetzt hoffen vor allem private Kliniken auf einen Gewinn an Prestige.

Veröffentlicht:
Klinik in Polen: Behandlung auf dem Flur.

Klinik in Polen: Behandlung auf dem Flur.

© Andrzej Grygiel / epa / dpa

WARSCHAU (jm). Nach dem Sieg gegen Holland hat die deutsche Nationalmannschaft gute Chancen, nach der Gruppenphase ins Viertelfinale der Fußball-EM einzuziehen.

Nach den ersten Spielen in Stadien der Ukraine findet ein Viertel- wie auch das Halbfinale in Polen statt.

An den Austragungsorten Danzig und in der Hauptstadt Warschau werden viel Andrang und emotionale Fans erwartet -  die Ausschreitungen um das Spiel Russland gegen Polen zeigten, wie hoch es hergehen kann.

Das Gesundheitssystem ist in beiden Städten auf die EM-Besucher eingestellt, erklärten Stadtverantwortliche. So wurden im Warschauer Stadion zehn Sanitätspunkte mit mindestens einem Arzt und einer Krankenschwester eingerichtet.

Sanitäter sollen auch vor den Zuschauertribünen platziert werden. Insgesamt sollen in der Hauptstadt rund 220 Rettungssanitäter bereitstehen.

Auch im Public-Viewing-Bereich im Zentrum sowie im "Fan-Camp" des Sponsors und Bier-Herstellers Carlsberg gibt es mehrere Erste-Hilfe-Stationen.

Viele Kapazitäten für die UEFA-Family

Wer stationär behandelt werden muss, kommt von hier in das einen Kilometer entfernt liegende Spital Bródnowski. Insgesamt gibt es in Warschaus Krankenhäusern 300 Betten, die für aus- und inländische Fußballgäste reserviert werden.

Auch in Polen gilt die Europäische Krankenversicherungskarte, private Zusatzreiseversicherungen müssen nicht unbedingt abgeschlossen werden.

In Danzig sind 200 zusätzliche Ärzte und Pfleger im Einsatz, die teils in Versorgungszelten die Fans auch in der berühmten Altstadt versorgen können. Im Stadion selbst werden drei medizinische Versorgungspunkte angeboten.

Für Diskussionen unter staatlichen Kliniken im Vorfeld der Europameisterschaft sorgte vor allem die Zusammenarbeit mit der "UEFA-Family": Damit bezeichnet der europäische Fußballverband Spieler, Funktionäre und Sponsoren.

Für diese insgesamt 27.000 Personen, die zur EM angereist sind, müssen in beiden Gastgeber-Staaten Betten, Zugang zu Fachärzten und medizinischen Einrichtungen vorgehalten werden - mit unbekanntem Bedarf und ohne Vorab-Finanzierung.

Zahlungsprobleme beim Gesundheitsfonds

Das können die staatlichen polnischen Kliniken nicht leisten - denn häufig sind die Spitäler überfüllt, Betten stehen auf dem Flur, es gibt lange Wartezeiten.

Das polnische Gesundheitswesen hat nicht von dem allgemeinen Wirtschaftsboom profitiert. Keine Regierung hat es bislang geschafft, das staatliche System grundlegend zu reformieren.

Polnische Steuerzahler müssen Abgaben an die verbindliche Sozialversicherungsanstalt ZUS zahlen, die Gelder werden vom Nationalen Gesundheitsfonds NFZ verwaltet.

Der Fonds hat aktuell allerdings Zahlungsschwierigkeiten. Der NFZ-Vorsitzende Jacek Paszkiewicz wurde vergangene Woche vom polnischen Gesundheitsminister, dem Arzt Bartosz Arlukowicz, wegen Misswirtschaft entlassen.

Finanzielle Probleme schlagen sich so auch auf die Kliniken nieder. Sowohl das Warschauer wie das Danziger Krankenhaus haben ernsthafte finanzielle Probleme, da sie mit dem knappen Budget des Nationalen Gesundheitsfonds NFZ haushalten müssen.

Dieser hat sich geweigert, den Krankenhäusern in den vier EM-Städten Warschau, Danzig, Breslau und Posen ein Zusatz-Budget zu gewähren.

Privatärzte für Fans

Piotr Golaszewski, Sprecher des Warschauer Spitals Brodnowski, verbreitet dennoch Zuversicht. "Bei einem wirklichen Krisenfall werden die Patienten auf alle Spitäler verteilt."

Dank dieser Verteilung habe das Krankenhaus auch keine Personalaufstockung zur EM nötig, sagte er der "Ärzte Zeitung".

Wer es sich in Polen leisten kann, geht für die medizinische Versorgung ohnehin lieber in eine private Klinik oder in eine der "Przychodnias".

In einer "Przychodnia" - das entspricht in etwa einer britischen "Clinic" - bieten Allgemeinmediziner und Fachärzte ambulante Versorgung an - oft gegen Rechnung. Ein Hausarztsystem ähnlich wie in Deutschland gibt es in Polen nicht.

Für die "UEFA-Family" haben private Kliniken die Zusammenarbeit übernommen - erhoffen sie sich doch, dass durch die mögliche Versorgung von prominenten Fußballspielern oder Gästen ihr Prestige für Versorgungsleistungen deutlich steigt.

Auch für die Fans gibt es private Anbieter: Beim privaten Gesundheitsdienstleister Medicover kostet eine Sprechstunde bei einem Allgemeinmediziner oder beim Facharzt zwischen 30 und 40 Euro.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Berufsbedingte Schäden

Wenn Musikmachen Muskeln, Sehnen und Gelenke krank macht

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

„ÄrzteTag“-Podcast

Wie erkenne ich Schmerzen bei Menschen mit Demenz, Professorin Miriam Kunz?

Systematisches Review und Metaanalyse

Antidepressiva absetzen: Welche Strategie ist am wirksamsten?

Lesetipps
Übersichtsarbeit: Wie wirken Hochdosis-, rekombinante und mRNA-Vakzinen verglichen mit dem Standardimpfstoff?

© Sasa Visual / stock.adobe.com

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Serotoninkristalle, die ein Muster ergeben.

© Michael W. Davidson / Science Photo Library

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an