Gesund ernährt mit Hartz IV - funktioniert das?

Er spielt Fußball und fährt Rad, ist 5-8 Stunden pro Woche sportlich aktiv: Christian Riedel (33) will es wissen: Ist es möglich, sich als Sportler mit dem Hartz-IV-Regelsatz fürs Essen von 128,46 Euro pro Monat gesund zu ernähren?

Anne-Christin GrögerVon Anne-Christin Gröger Veröffentlicht:
Christian Riedel, Sportjournalist und Sportler: "Jeden Tag Möhren essen, bis am Ende die Packung alle ist? Das ist nicht besonders ausgewogen!"

Christian Riedel, Sportjournalist und Sportler: "Jeden Tag Möhren essen, bis am Ende die Packung alle ist? Das ist nicht besonders ausgewogen!"

© Anne Krenzin

KÖLN . Bei einem Marathon kamen der Kölner Sportjournalist Christian Riedel und sein Kollege auf die Idee für ein kleines Forschungsprojekt: Ist es möglich, sich als Sportler gesund und ausreichend zu ernähren, auch wenn nur das Budget eines Hartz-IV-Empfängers zur Verfügung steht?

Riedel will das ausprobieren. Bereits seit drei Wochen hält er sein Geld zusammen, um mit dem Regelsatz für Essen und alkoholfreie Getränke von 128,46 Euro über den Monat zu kommen.

Riedel gibt Tipps für preisbewusste Ernährung

Die Herausforderung: Riedel treibt viermal die Woche Sport und will auch mit einem erhöhten Kalorienbedarf ausgewogen und preisgünstig essen. Bei einem Fitnesstest ist deutlich geworden, dass er täglich etwa 3000 Kilokalorien benötigt.

Seine These: Ein gesundes Leben ist nur möglich, wenn sich ein Mensch nicht nur gesund ernährt, sondern sich auch ausreichend sportlich betätigt.

Im Internet auf www.ernaehrung-mit-hartz4.de bloggt er über seine Erfahrungen und will zudem Tipps für den preisbewussten und gesunden Einkauf geben.

Am Anfang des Projekts stand eine große Umstellung im Umgang mit Lebensmitteln. "Ich konnte nicht mehr einfach in den Supermarkt gehen und kaufen, worauf ich Lust hatte", sagt Riedel. "Erst einmal musste ich mich orientieren, wo es die günstigsten Produkte zu kaufen gab." Zudem musste er die Mahlzeiten einer ganzen Woche beim Einkauf planen. "Früher bin ich mittags mit Kollegen essen gegangen, heute muss ich zuhause vorkochen", sagt Riedel.

Er hat das Privileg, von zwei Ernährungswissenschaftlerinnen betreut zu werden, die eingreifen, wenn seine Mahlzeiten zu eintönig werden. "Gerade die größten Packungen sind oft die günstigsten", sagt er. Jeden Tag Möhren zu essen, bis die Packung alle ist, sei jedoch nicht sehr ausgewogen.

Die beiden Spezialistinnen greifen ein - ein Service, den ein Mensch, der am Existenzminimum lebt, normalerweise nicht in Anspruch nehmen kann.

Der Sportjournalist ist optimistisch, dass sein Geld für den Monat reicht. Inzwischen weiß er, wo er günstiges Fleisch und wo preiswertes Obst einkaufen kann. Im Internet informiert er sich regelmäßig über Sonderangebote der Discounter. "Besonders die Getränke zehren am Budget", sagt er.

Denn ein Hinweis seiner Betreuerinnen hat ihm deutlich gemacht: Trinkt er weiter nur Leitungswasser, werden ihm im Lauf der Zeit wichtige Mineralstoffe fehlen. Wenn er sein Ziel erreicht, kann sich Riedel vorstellen, einen Ratgeber für Betroffene zu veröffentlichen.

Wer kennt sich schon aus mit Kohlehydraten?

Riedels Zwischenbilanz: Gesunde und sportlerspezifische Ernährung mit Hartz IV geht. Allerdings bringt nicht jeder Hartz IV-Empfänger umfassendes Wissen über Eiweiß- und Kohlenhydratmengen mit oder hat einen Studenten der Ernährungswissenschaft in seinem engeren Bekanntenkreis.

Auch die peniblen Berechnungen, die Riedel und seine Betreuerinnen zur Proteinaufnahme vornehmen, scheinen an der Lebenswirklichkeit der meisten Menschen vorbei zu gehen. Die Reaktionen auf sein Projekt sind gemischt. "Einige finden die Aktion nicht sonderlich originell - andere sind neugierig, ob ich es schaffen werde", sagt er.

Nicht ganz klar ist die Zielgruppe seines Erfahrungsberichts im Internet. Folgt man den Kommentaren seiner Leser, sind es vor allem gut ausgebildete Sportinteressierte, die sich genau mit Nährwerttabellen und Kalorienbedarf auskennen. Die Tipps zum preiswerten Einkauf hingegen dürften nicht einmal für Einkaufsanfänger und ernährungswissenschaftliche Laien viel Neues bieten.

Günstiges Essen steht meist nicht in Griffweite

"Sofern die Produkte in der Verpackung sichtbar sind, immer das Produkt genau anschauen. Gibt es keine Schimmelbildungen oder sonstige Verderbnisanzeichen, kann man es normalerweise auch noch essen" steht da etwa. Oder: "Teure Markenprodukte stehen im Supermarkt meist auf Augenhöhe und in Griffweite. Die günstigeren, aber qualitativ nicht unbedingt schlechteren Lebensmittel befinden sich häufig im oberen oder unteren Regalbereich."

Das Projekt läuft wie viele Hartz-IV-Selbstversuche Gefahr, von oben herab zu dozieren: Seht her, all ihr übergewichtigen Hartz IV-Empfänger - so geht gesunde Ernährung, auch mit wenig Geld. Das Problem: Riedel muss nicht dauerhaft am Essen sparen, weil die Waschmaschine kaputt gegangen ist oder ein paar neue Schuhe anstehen. Und er weiß: Am Ende des Monats kann er den Gürtel auch wieder lockern.

www.ernaehrung-mit-hartz4.de

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Hörsaalgeflüster

Südkorea: Klinikalltag im Ausland

Gelistet als Best-Practice-Intervention

Psychische Gesundheit: OECD lobt deutsches Online-Programm iFightDepression

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Lungensurfactant

Warum Seufzen der Atmung gut tut

Lesetipps
Der Rücken eines Mannes mit Gürtelrose zeigt Vesikel.

© Chinamon / stock.adobe.com

Alter für Indikationsimpfung herabgesetzt

STIKO ändert Empfehlung zur Herpes zoster-Impfung

Mammografie-Screening bei einer Patientin

© pixelfit / Getty Images / iStock

Prävention

Mammografie-Screening: Das sind Hindernisse und Motivatoren