Studie

Insektensterben durch Antibiotika im Wasser?

Antibiotika im Abwasser können auch Insekten schaden. Das belegt eine Studie. US-Forschern gelang es, nachzuweisen, dass Medikamentenrückstände für Schmetterlinge tödlich sein können.

Von Alice Lanzke Veröffentlicht:
Forscher sind durch eine Studie alarmiert: Insekten könnten durch mit Antibiotikaresten kontaminiertes Wasser, das auch in der Landwirtschaft genutzt wird, geschädigt werden.

Forscher sind durch eine Studie alarmiert: Insekten könnten durch mit Antibiotikaresten kontaminiertes Wasser, das auch in der Landwirtschaft genutzt wird, geschädigt werden.

© egonzitter / stock.adobe.com

RIVERSIDE. Antibiotika und Hormone im Wasser können Forschern zufolge auch eine Gefahr für Insekten werden. So nehmen etwa bestimmte Schmetterlinge den Arzneimittelmix über ihre Futterpflanzen auf, was nicht nur ihren Entwicklungszyklus verlängert, sondern auch zu einer erhöhten Sterblichkeit führt.

Das ist das Ergebnis einer Studie, die US-Forscher in den "Proceedings" der US-nationalen Akademie der Wissenschaften (PNAS) präsentieren. Nach Meinung eines Experten sind die Ergebnisse für Deutschland weniger relevant.

Nicht vollständig gefiltert

Steigende Temperaturen, Trockenheit und die wachsende Weltbevölkerung haben dazu geführt, dass der Bedarf an Wasser rund um den Globus größer wird. Gerade in der Landwirtschaft wird daher in vielen Regionen der Erde zunehmend auf wiederaufbereitetes Abwasser gesetzt. Eben jenes Wasser enthält allerdings oft Arzneimittel wie Antibiotika, die auch durch die Wiederaufbereitung nicht vollständig herausgefiltert werden.

Schon lange weiß man, dass sowohl Wirkstoffe, die der Mensch einnimmt, als auch solche, die in der Tierhaltung oder als Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden, über kurz oder lang im Wasser landen.

Das Team um den Umweltbiologen Marcus Pennington von der Universität von Kalifornien untersuchte nun, wie sich der Wirkstoffcocktail auf Aschgraue Höckereulen (Trichoplusia ni) auswirkt. Die Schmetterlingsart mit den grau-grünen bis rötlich-braunen Flügeln ist vor allem in Nordamerika und Eurasien verbreitet und zählt in der Landwirtschaft zu den Schädlingen: Die Larven fressen sich durch die Unterseiten verschiedenster Pflanzen und bevorzugen hier vor allem junge Kohlköpfe. Im englischsprachigen Raum ist die Art daher auch als "Kohlgreifer" (cabbage looper) bekannt.

Studie offenbart Erschreckendes

Die Aschgraue Höckereule hat bereits gegen viele Pestizide Resistenzen entwickelt, was die Schädlingsbekämpfung erschwert. Gefahr droht den Insekten, so das Ergebnis von Pennington und seinen Kollegen, nun allerdings von anderer Seite. Unter Laborbedingungen gaben die Biologen den Larven sowohl kontaminiertes Wasser als auch solche Pflanzen. Der Gehalt an Antibiotika und Hormonen entsprach dem, der an manchen Orten im Oberflächenwasser oder auch in wiederaufbereitetem Abwasser gefunden wird. Ergebnis: Die Tiere brauchten länger, um das Erwachsenen-Stadium zu erreichen, und hatten eine erhöhte Sterblichkeit.

Für die Forscher ist die Studie ein Alarmzeichen, deutet sie doch darauf hin, dass auch andere Insektenarten durch kontaminiertes Wasser beeinflusst werden könnten – zumal die Aschgraue Höckereule aufgrund ihrer zahlreichen Pestizidresistenzen vermutlich besser mit Toxinen umgehen könne als andere Arten, so die Autoren der Studie.

Gunnar Lischeid vom Institut für Landschaftswasserhaushalt am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (Zalf) bezweifelt indes, dass sich die Ergebnisse der Studie komplett auf die Bedingungen in freier Natur übertragen lassen: Im Labor seien die Resultate vermutlich stärker ausgeprägt gewesen als im Freiland, so der Hydrologe.

Relevant ist in seinen Augen allerdings, dass Effekte beobachtet worden seien, die bei der Verregnung von Abwasser vorkämen. In Deutschland werde dieses Verfahren heutzutage so gut wie nicht mehr eingesetzt, anders als in Südeuropa oder etwa Israel. Einen Zusammenhang mit dem Insektenschwund in Deutschland sieht Lischeid hingegen nicht.

Die Autoren der aktuellen US-Studie hoffen nun, dass ihre Untersuchung neue Strategien zur Schädlingsbekämpfung ermöglicht, zu denen etwa ein verminderter Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gehören könnte.

Vor einem gezielten Einsatz von Antibiotika oder Hormonen gegen Schädlinge warnen die Biologen indes: Die Langzeitfolgen für den Menschen seien nicht absehbar. (dpa)

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