Ist die Cholera in Haiti noch zu stoppen?

Es fehlen Latrinen und Trinkwasser, die Zahl der Behandlungszentren ist völlig unzureichend. Die Cholera in Haiti breitet sich weiter in rasantem Tempo aus.

Von Pete Smith Veröffentlicht:
Menschen in Not: Das Behandlungszentrum von "Ärzte ohne Grenzen" in Tabarre.

Menschen in Not: Das Behandlungszentrum von "Ärzte ohne Grenzen" in Tabarre.

© IP3press / imago

FRANKFURT/MAIN. In Haiti sind seit Ausbruch der Cholera vor vier Wochen etwa 15 000 Menschen an der Seuche erkrankt. Das Gesundheitsministerium meldet mehr als 1000 Tote. Die Cholera breitet sich rasant aus, sie ist außer Kontrolle. Bei Demonstrationen sind zudem zwei Menschen erschossen worden.

Nach dem Erdbeben in Haiti vor zehn Monaten mit mehr als 230 000 Toten hatten Hilfsorganisationen immer wieder die miserablen hygienischen Verhältnisse angeprangert und vor dem Ausbruch von Seuchen gewarnt.

Erste Cholera-Erkrankungen wurden am 19. Oktober aus dem Département Artibonite, etwa 80 Kilometer nördlich der Hauptstadt Port-au-Prince, gemeldet. Wie Caritas International berichtet, sollen unbestätigten Meldungen zufolge in Artibonite Händler aus verunreinigten Quellen Wasser bezogen und dann auch abgefüllt als Trinkwasser verkauft haben.

Ging man anfangs noch davon aus, die Seuche eindämmen zu können, breitet sie sich inzwischen ungehemmt aus und hat auch die Hauptstadt erreicht. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen könnten sich im schlimmsten Fall bis zu 200 000 Menschen in Haiti mit dem Cholera-Erreger infizieren. In Folge des Erdbebens vom Januar dieses Jahres leben noch immer etwa 1,4 Millionen Haitianer in Lagern, in denen es an Sanitäranlagen und sauberem Wasser mangelt.

Sorge bereitet den Helfern nicht nur die rasante Ausbreitung der Seuche, sondern auch die extrem hohe Sterblichkeitsrate mit sechs bis sieben Prozent. "Normalerweise sterben nur ein Prozent der Erkrankten", sagt Dr. Joost Butenop von der Hilfsorganisation Caritas international, der von der größten Cholera-Epidemie spricht, die es jemals in der Karibik gegeben hat.

Es gebe nicht genug Latrinen, nicht genug Trinkwasser und nicht genug Cholera-Behandlungszentren - "es fehlt an allen Ecken und Enden". Butenop glaubt, dass es derzeit schon 30 000 bis 40 000 schwere Erkrankungen gebe und dass die Zahl der Cholera-Patienten bis Weihnachten auf 100 000 steigt.

"Die Situation ist für uns im Moment sehr beunruhigend", sagt auch Stefano Zannini, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen (MSF) in Haiti. "Alle Krankenhäuser in Port-au-Prince sind mit Patienten überfüllt. Es ist eine große logistische Herausforderung, in dieser Stadt einen freien Platz für die Behandlung der Patienten zu finden.

" Ein weiteres Problem sei die Unkenntnis der Menschen. "Es gibt in Haiti keine Erinnerung an frühere Choleraausbrüche und wenig Wissen über die Krankheit." Dadurch entstünden Panik und Missverständnisse.

"Manche Menschen meiden die Umgebung von Cholera-Behandlungszentren oder haben Angst davor, ein solches in ihrer Nachbarschaft zu haben, da sie glauben, die Krankheit würde sich von dort aus verbreiten. Wir versuchen zu erklären, dass das Gegenteil der Fall ist."

Derzeit sind 100 internationale und 400 haitianische Mitarbeiter in den Cholera-Behandlungszentren von "Ärzte ohne Grenzen" im Einsatz. Die Helfer arbeiteten am Limit, so Einsatzleiter Zannini. Die Ein- und Ausgänge der Zentren würden kontrolliert, jeder Patient werde beim Betreten oder Verlassen desinfiziert, um eine weitere Verbreitung der Seuche zu verhindern. Üblicherweise bleiben die Patienten nicht länger als zwei Tage.

Die Vereinten Nationen haben an die Weltgemeinschaft appelliert, 164 Millionen Dollar (120 Millionen Euro) für die Bekämpfung der Cholera zu spenden. Das UN-Kinderhilfswerk Unicef ist vor allem wegen der hohen Zahl von an Cholera erkrankten Kindern besorgt.

Mit Megaphonen versuchen Unicef-Mitarbeiter und Helfer des örtlichen Roten Kreuzes die Menschen in Artibonite und anderswo davon zu überzeugen, einfache Hygienestandards einzuhalten und sich bei Verdacht in den Cholera-Behandlungszentren untersuchen zu lassen. Desinfektionsteams gehen in die Schulen, um die Kinder in Hygiene zu unterrichten und die Schulen mit Chlor zu versorgen.

Unterdessen haben Uno-Soldaten bei schweren Ausschreitungen in der Nähe von Cap-Haitien zwei Menschen erschossen. Die Proteste richteten sich gegen die schleppende Versorgung der Cholera-Opfer, aber auch gegen die Blauhelm-Soldaten selbst, die von vielen Haitianern für den Ausbruch der Cholera verantwortlich gemacht werden.

Lesen Sie dazu auch: Cholera, Polio, Sars: Gefahr für die gesamte Welt?

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