Unfallentschädigung

Je länger im Krankenhaus, desto höher das Schmerzensgeld

Das OLG Frankfurt bedient sich erstmals einer neuen Methode zur Berechnung des Schmerzensgeldes für Unfallverletzte. Die Methode orientiert sich an der Länge des Klinik- und Rehaaufenthaltes.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:
Unverschuldete Unfälle bringen Motorradfahrer oft längere Zeit in die Klinik und sorgen vorübergehend für ihre Arbeitsunfähigkeit.

Unverschuldete Unfälle bringen Motorradfahrer oft längere Zeit in die Klinik und sorgen vorübergehend für ihre Arbeitsunfähigkeit.

© mhp / stock.adobe.com

FRANKFURT/MAIN. Je länger Unfallverletzte im Krankenhaus und in der Reha sind, desto höher soll ihr Schmerzensgeld ausfallen. Das jedenfalls meint das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main.

Nach eignen Angaben als erstes OLG bundesweit wandte es jetzt eine entsprechende neue Methode an und sprach einem bei einem Unfall verletzten Motorradfahrer ein Schmerzensgeld von 11.000 Euro zu.

Vier Monate arbeitsunfähig

Der Motorradfahrer war von einem Auto gerammt worden, dessen Fahrer unachtsam wenden wollte. Er erlitt unter anderem eine komplizierte distale Radiusfraktur und eine dauerhafte Sensibilitätsstörung der Hand. Nach der Operation war er über vier Monate krankgeschrieben und in der Haushaltsführung eingeschränkt.

Die Versicherung des Autofahrers zahlte die Reparatur des Motorrads sowie ein Schmerzensgeld von 5000 Euro. Weitere Zahlungen lehnte sie ab. Bislang wird das Schmerzensgeld in solchen Fällen eher grob geschätzt, und die Gerichte orientieren sich dabei auch an Tabellen mit bislang ausgeurteilten Summen.

Das Landgericht Frankfurt am Main kam so auf ein Schmerzensgeld von 10.500 Euro und sprach dem Motorradfahrer zudem Ersatz für einen „Haushaltsführungsschaden“ zu.

Das OLG setzte das Schmerzensgeld auf 11.000 Euro und den Haushaltsführungsschaden auf 1500 Euro fest. Die Methode, mit der es zu diesem Ergebnis kam, ist neu.

Die Frankfurter Richter gehen davon aus, dass gegenüber dem bisherigen Vorgehen „bei langfristigen Beeinträchtigungen deutlich höhere Schmerzensgelder ausgeworfen werden, während bei geringen Beeinträchtigungen die Schmerzensgelder deutlich vermindert werden könnten“.

In anderen EU-Ländern anerkannt

Für die Berechnung wird danach zunächst das auf einen Tag umgerechnete Durchschnittseinkommen herangezogen. Auf das persönliche Einkommen komme es nicht an, „da Schmerz von allen Menschen gleich empfunden wird“, betonte das OLG.

Dieser Tagessatz wird mit einem „Faktor für den Grad der Schädigungsfolgen“ multipliziert, in den tagesgenau die Dauer des Krankenhausaufenthalts und gegebenenfalls einer anschließenden Reha einfließen. In anderen EU-Ländern seien ähnliche Methoden bereits anerkannt.

Auch die bisherige Berechnung des Haushaltsführungsschadens ist nach Überzeugung des OLG Frankfurt nicht mehr zeitgemäß. In die neue Methode gehen das Haushalts-Nettoeinkommen und ein je nach Haushaltsgröße statistisch erhobener Anteil an der Hausarbeit ein – bei einem Zweipersonenhaushalt pro Woche 25,9 Stunden für die Frau und 18,55 Stunden für den Mann.

Als Stundensatz gilt laut OLG der Mindestlohn (2018 8,84 Euro, 2019 9,19 Euro) oder ein im Einzelfall höherer Betrag.

Az.: 22 U 97/16

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