Jungen werden immer früher geschlechtsreif

ROSTOCK (eb). Das Alter der Geschlechtsreife bei Jungen ist seit 1850 um 2,5 Monate pro Jahrzehnt gefallen, haben Forscher des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung (MPIDR) anhand von Sterbetafeln belegt.

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Bei maximaler Produktion männlicher Hormone steigt das Sterberisiko stark an: von heute unter 1 zu 10.000 bei 13-Jährigen auf etwa das Sechsfache bei 18-Jährigen. Ein heute 18-Jähriger sei nach den Daten körperlich so weit entwickelt wie ein 22-Jähriger um 1800.

"Jungen werden heute ebenso wie Mädchen wahrscheinlich deswegen früher geschlechtsreif, weil Ernährungs- und Gesundheitsbedingungen immer günstiger dafür werden", sagt der Direktor des MPIDR, Professor Joshua Goldstein. Medizinische Aufzeichnungen belegen zwar für Mädchen schon lange, dass die erste Menstruation immer eher stattfindet. Für Jungen existieren vergleichbare Daten aber nicht.

Biologische und soziale Lebensphasen junger Menschen driften dabei immer stärker auseinander. "Während Jugendliche immer früher biologisch erwachsen werden, erreichen sie den sozialen Status des Erwachsenseins immer später", so Goldstein.

Das zeigt die Lebenslaufforschung: Seit gut einem halben Jahrhundert steigt das Alter, in dem junge Menschen heiraten, Kinder kriegen, ihre Karriere beginnen und finanziell unabhängig von den Eltern werden.

Damit verlängert sich nicht nur die Phase körperlichen Erwachsenseins, innerhalb derer junge Leute noch keine Kinder bekommen. Goldstein: "Wichtige Entscheidungen im Lebenslauf werden mit immer größerem Abstand zur Sorglosigkeit der Jugend gefällt."

Unklar sei, ob die "Hochrisikophase" ihres Heranwachsens für junge Männer gefährlicher werde, weil sie sie früher durchleben, sagt der Demograf. Zwar seien Jungen im früheren Alter weniger mental und sozial gefestigt und dadurch eventuell gefährdeter. Andererseits stünden sie dann noch unter stärkerer Aufsicht der Eltern.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 20.08.201113:52 Uhr

GAU: Größter anzunehmender Unsinn?

Die Publikation von Joshua R. Goldstein vom MPIDR in Rostock ist ein echter GAU. ''Größter Anzunehmender Unfug'', Originalveröffentlichung vom 17. 8. 2011:

http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0014826

In dem ein Surrogat-Parameter für den in männlicher Adoleszenz ansteigenden Testosteronspiegel, nämlich eine erhöhte hormongesteuerte Unfallhäufigkeit ("male accident hump" = ''männlicher Unfallbuckel'') angenommen wird, entblößt sich der unwesentlich wissenschaftliche Gehalt dieser Studie. Das komplexe Phänomen der psychosexuellen Verfrühung bei Männern soll mittels eines Hilfskonstrukts monokausal eingedampft werden.

Es wurden historische schwedische Mortalitätsdaten seit 1751 und seit 1850 auch aus anderen nordeuropäischen Ländern und Italien verwendet. Aber ausgerechnet in jenen Zeiten n i c h t anzunehmen, dass die historische Übersterblichkeit in der testosterongeschwängerten männlichen Adoleszenz auf Kinder(Sklaven)Arbeit, Leibeigenschaft, Fronarbeit für den Lehnsherrn, Unterdrückung, Ausbeutung und Missachtung von Entwicklungschancen der Heranwachsenden zurückzuführen ist, dazu gehört sozialwissenschaftliche Chuzpe.

Die historische Unfall-, Lebens- und Krankheitsrisiko bedingte Sterblichkeit mit verringerter Lebenserwartung in a l l e n Altersgruppen wird durch weibliche Übersterblichkeit besonders geburtsrisikobedingt und durch allgemeine Frühsterblichkeit bei Männern charakterisiert.

Aber die Sterblichkeit adoleszenter, junger Männer kausal, spezifisch und sensitiv mit ihrem Testosteronspiegel und zugleich mit einer behaupteten ''Verfrühungstherorie der sexuellen Reifung'' bis in die Jetzt-Zeit korrelieren zu wollen, erscheint m. E. so wenig essenziell wie verifiziert. Die bio-psycho-sozialen, soziologischen, sozioökonomischen und demografischen Grundlagen des 18. und 19. Jahrhunderts in die heutige Zeit transponieren zu wollen, bzw. die Hypothese der testosteroninduzierten Unfallhäufung mit Verfrühung der sexuellen Reifung gar in 2,4 Monate (nicht 2,5 wie die ÄZ berichtet) pro Dekade ("0.2 years per decade") beziffern zu wollen, ist weder visionär noch tollkühn, sondern schlicht und ergreifend eindimensional, einseitig und einfältig.

Da hilft auch der Verweis auf die Verfrühung der Menarche, die seit dem 19. und 20. Jahrhundert "0.3 years per decade", also 3,6 Monate pro Jahrzehnt, betragen soll, nicht weiter. Denn jede/r kann sich ausrechnen, wann in ferner Zukunft dann die erste Menstruationsblutung und der erste Samenerguss im Säuglingsalter stattfinden werden.

In jedem Fall ist bei männlichen und weiblichen Jugendlichen auf Grund der hier demonstrierten, äußerst dürftigen Daten- und Verständnislage vor undifferenzierten und verfrühten Schlussfolgerungen nachdrücklich zu warnen.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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