Kann ein Kuschelroboter Therapeut sein?

Sein japanischer Erfinder beschreibt ihn als "Zuwendnungsroboter": In einem Bremer Pflegeheim für Demenzkranke soll "Paro" als Therapie-Tier erprobt werden.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Kuscheliger Roboter: Im Pflegeheim Christinenstift in Baden Baden wird das "Therapietier" schon eingesetzt.

Kuscheliger Roboter: Im Pflegeheim Christinenstift in Baden Baden wird das "Therapietier" schon eingesetzt.

© Christinenstift

BREMEN. Paro jammert, seufzt und fiept. Paro erkennt die Stimme von Frauchen und wendet den flauschigen Kopf, wenn sie spricht. Paro hat den betörenden Augenaufschlag eines Säuglings und ein weiches, weißes Fell. Aber Paro ist nur eine Maschine, ein "Zuwendungsroboter", wie sein Schöpfer, der Ingenieur Professor Takanori Shibata aus Japan, sagt, ein Schmuse-Tamagotchi in Form einer niedliche Spielzeug-Robbe. In einem Bremer Pflegeheim für Demenzkranke wird Paro ab September drei Monate lang als Therapie-Tier erprobt werden. Die Bremer Dokumentarfilmerin Annette Wagner wird für "ZDF"/"arte" einen wissenschaftlichen Dokumentarfilm namens "Drück mich! Können Computer Therapeuten sein?" über das Projekt drehen.

"Was sind eigentlich die ganz ursprünglichen Bedürfnisse unserer Bewohner? Das wollen wir wissen", erklärt Phillip Nat, Heimleiter des Bremer Hauses O´Land, eines Pflegeheims, das auf die Betreuung demenzkranker Menschen spezialisiert ist. Die Bewohner des Hauses mit mittelschwerer Demenz sollen in den Genuss von Paro kommen. Die rund 2,5 Kilo schwere Kuschelrobbe ist gut einen halben Meter lang und verfügt über ein computergesteuertes Stimmerkennungsprogramm. So erkennt Paro, wer sie anspricht und kann den Kopf entsprechend wenden. In Nats Pflegestation wird das Gerät alle 30 Bewohnerinnen und Bewohner an der Stimme zu unterscheiden lernen. Sensoren unterm flauschigen Fell ertasten, ob das elektronische Tierchen gestreichelt oder gestoßen wird. Entsprechend wird es jammern, protestieren oder genüsslich brummen.

Ein Video aus dem Maternus-Pflege- und Therapiezentrum Wendhausen bei Osnabrück, wo man seit fast vier Jahren mit Paro als Therapie-Roboter arbeitet, zeigt hingebungsvoll plaudernde und streichelnde alte Menschen, die sich gar nicht von Paro trennen wollen.

Andrea Tannert, Einrichtungsleiterin der Einrichtung, erklärte schon vor einem Jahr. "Es ist inzwischen zu einem wichtigen Bestandteil in der Betreuung geworden - sowohl im Bereich für Demenzkranke, als auch bei Wachkomapatienten oder Bewohnern mit Multipler Sklerose." Dabei könne die Robbe aber nicht den persönlichen Kontakt ersetzen und sei vor allem ein Mittel, um mit in sich zurückgezogenen Menschen in Dialog zu treten.

Zur Debatte steht bei dem Bremer Testlauf aber nicht nur der Nutzen eines emotionalen Roboters für die alten Menschen. In der Pflegeszene wird auch diskutiert, ob in Zukunft Service-Roboter die Pflege übernehmen und die altersverwirrten Menschen einem fiependen Robotern überlassen werden dürfen.

"Mit Paro werden Grenzen überschritten" räumt der Bremer Pflegewissenschaftler Heiner Friesacher ein, "aber worauf gründet sich eigentlich unsere Skepsis?" Friesacher setzt auf die guten Erfahrungen in anderen Einrichtungen. "Die alten Leute zeigten nach der Gesellschaft mit Paro eine bessere Wahrnehmung, nahmen mehr am sozialen Leben teil und kommunizierten weit intensiver. Sie genossen mehr Lebensqualität."

Diese Erfahrung hat auch das Christinenstift in Baden Baden gemacht, wo Paro seit drei Jahren eingesetzt wird. Monika Kimmig vom Christinenstift sagt: "Manche Bewohner merken auch, dass Paro kein Lebewesen ist und sagen ,Der ist ja gar nicht echt!‘, aber sie lassen sich doch darauf ein und freuen sich über die neue Gesellschaft."

Bevor Paro ins Haus kommt, erlernen die Pflegerinnen zunächst einmal seinen fachgerechten Einsatz. Und wenn niemand mit ihm spielen will, wird ganz einfach der Stecker gezogen.

www.beziehungen-pflegen.de

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