Sexueller Missbrauch

Katholische Kirche nimmt sich unter die Lupe

Ein erster Anlauf war gescheitert, jetzt wagen die katholischen Bischöfe einen neuen: Ein Forschungsprojekt soll Licht ins Dunkel bei sexuellen Missbrauchsfällen bringen.

Veröffentlicht:
Verletzte Seele: Die katholische Kirche will ihre Rolle bei sexuellem Missbrauch erhellen.

Verletzte Seele: Die katholische Kirche will ihre Rolle bei sexuellem Missbrauch erhellen.

© Gina Sanders / fotolia.com

BONN. Die katholische Kirche in Deutschland will in einem zweiten Anlauf den sexuellen Missbrauch Jugendlicher im kirchlichen Bereich wissenschaftlich aufarbeiten lassen. "Wir wollen Klarheit und Transparenz über diese dunkle Seite in unserer Kirche", sagte der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Stephan Ackermann, am Montag bei der Vorstellung des Projekts in Bonn.

Dem Forschungskonsortium um den Neurowissenschaftler Professor Harald Dreßing vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim gehören sieben Professoren an. Im Januar 2013 war die Zusammenarbeit mit dem Kriminologen Professor Christian Pfeiffer aus Hannover wegen unterschiedlicher Vorstellungen aufgekündigt worden.

Ziel der auf dreieinhalb Jahre angelegten und rund eine Million Euro teuren Studie sei es, den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche wissenschaftlich so transparent wie möglich für die Öffentlichkeit und die Betroffenen aufzuarbeiten, sagte Dreßing.

Er leitet in seinem Institut die Abteilung forensische Psychiatrie. Dem Forschungskonsortium gehören neben Dreßing Kriminologen, Psychologen und Soziologen an.

Es sei ein modularer Projektablauf gewählt worden, sagte Dreßing. Dabei sollen nicht nur Daten aus den Kirchenarchiven ausgewertet, sondern auch externe Datenquellen einbezogen werden, die eine vergleichende Analyse mit anderen Formen des institutionellen Missbrauchs ermöglichten.

Es gehe auch darum, eine vertiefte Einsicht über das Vorgehen der Täter und über das Verhalten von Kirchenverantwortlichen in den zurückliegenden Jahrzehnten zu erhalten, sagte Ackermann.

Dreßing erwartet von der Studie auch eine Antwort auf die Frage, ob es spezifische Strukturen und Dynamiken innerhalb der katholischen Kirche gibt oder gegeben hat, die Missbrauch fördern. Die Daten sollen über Fragebögen und Interviews mit Opfern und Tätern erhoben werden.

Neun Bistümer sollen den Forschern die Daten zu sexuellem Missbrauch seit 1945 und 18 Bistümer die seit 2000 gesammelten Daten zugänglich machen.

Das Forschungskonsortium ist Dreßing zufolge frei in der Veröffentlichung der wissenschaftlichen Daten. Das sei so vereinbart worden. Dem Konsortium steht ein Beirat zur Seite, dem Betroffene, Wissenschaftler und Vertreter der Kirche angehören. Er soll das Projekt wissenschaftlich und ethisch begleiten. (dpa)

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Berufsbedingte Schäden

Wenn Musikmachen Muskeln, Sehnen und Gelenke krank macht

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Dr. Horst Grünwoldt 27.03.201414:49 Uhr

Vorreiter

Da zeigt sich wieder einmal, wie fortschrittlich und konsequent die Katholische Kirche auch in "irdischen" Belangen ist, wenn sie als Erste wissenschaftlich-objektiv untersuchen läßt, welches die Ursachen des Phänomens und die Folgen des strafbewehrten Deliktes "sexueller Mißbrauch von abhängigen Kindern und Minderjährigen" sind, und wie ihre Prävention geschehen kann!
Es ist gewiß kein inner-kirchliches Problem alleine, wenn im Einzelfall schutzbefohlene Kinder sexuell pädophilen Erwachsenen "in die Hände fallen"! Wenn dies auch einen Priester als eng Vertrauten betrifft, ist dies natürlich um so schlimmer.
Vielmehr ist aber seit langen bekannt, daß die Alarmstufe 1 bei Delikten der Pädophilie im Kinder- und Jugend-Sportbereich zu sehen ist. Dort kommen sich i.d.R. Betreuer und Betreuter körperlich besonders nahe. Und das logischerweise auch wg. der mehr oder weniger leichten Sportbekleidung.
(Daran sollten auch mal unsere naiven Urlauberinnen denken, wenn sie in arabische Länder reisen und sich in aufreizender Form halbnackt öffentlich präsentieren, und damit eventuell unerwünschten sexuellen Übergriffen aussetzen)
Hat das der komische, ge-exte Kriminologie-Professor Pfeiffer aus Hannover nicht auch beizeiten erkannt?
Dr. med. vet. Horst Grünwoldt, Rostock

Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Lesetipps
Eine MFA schaut auf den Terminkalender der Praxis.

© AndreaObzerova / Getty Images / iStockphoto

Terminservicestellen und Praxen

116117-Terminservice: Wie das Bereitstellen von TSS-Terminen reibungsloser klappt

Bei Grenzentscheidungen (z.B. kürzlich stattgehabte Operation) gelte es, Rücksprache mit der entsprechenden Fachdisziplin zu halten, betont Dr. Milani Deb-Chatterji.

© stockdevil / iStock

Eine schwierige Entscheidung

Schlaganfall: Das sind Grenzfälle der Thrombolyse