Die Schlussworte eines großen Kardiologen

Kritisch denken!

Mit Professor Erland Erdmann verlässt ein Arzt, ein Wissenschaftler und - im virchowschen Sinne - "Sozialpolitiker" die Medizinische Klinik der Universität zu Köln. Sein Fazit: "Niemals geht man so ganz."

Von Ludger Riem Veröffentlicht:
Der ungläubige Thomas in der Kardiologie: Diesen Titel wählte Prof. Erland Erdmann für seine Abschiedsvorlesung.

Der ungläubige Thomas in der Kardiologie: Diesen Titel wählte Prof. Erland Erdmann für seine Abschiedsvorlesung.

© privat

KÖLN. Während seiner fast 20 Jahre währenden Tätigkeit als Leiter des Lehrstuhls III für Innere Medizin der Universität zu Köln hat Professor Erland Erdmann als Arzt, Wissenschaftler und - im virchowschen Sinne - "Sozialpolitiker" bleibende Spuren hinterlassen.

Bei seiner Abschiedsvorlesung hat der in Pommern gebürtige Kardiologe schlaglichtartig zentrale Stationen seines Wirkens in der Domstadt beleuchtet.

Wenn Kölner Bürger dieser Tage einen Herzinfarkt erleiden, dann haben sie beste Aussichten, in eine jener fünf Kliniken zu gelangen, die im Rahmen des "Kölner Infarkt Modells" eine 24-stündige Herzkatheterbereitschaft sicherstellen - darunter auch in dem von Erdmann maßgeblich mit verantworteten Herzzentrum der Universität zu Köln.

Dass eine möglichst unverzügliche PTCA der früher üblichen systemischen Lysetherapie prognostisch überlegen ist, an dieser Erkenntnis haben Erdmann und Mitarbeiter Anfang der 90er Jahre entscheidend mitgewirkt.

Mit von der Partie waren Erdmann und Kollegen auch bei der Studie CIBIS-II, die Ende der 90er Jahre gewissermaßen mit einem Dogma gebrochen und den Betablockern den Einzug in die Therapie der Herzinsuffizienz beschert hat.

Aufschlussreiche Erkenntnisse aus dem Bundestag

Nicht minder profitieren können herzschwache Patienten von der von Erdmann mit auf den Weg gebrachten Resynchronisationstherapie.

Geleitet war und ist Erdmanns klinisches und wissenschaftliches Wirken stets von dieser Überzeugung: "In der akademischen Medizin sollte man nicht ‚glauben‘, sondern ‚wissen‘ und wissen wollen" - ein Umstand, welchem sich auch der Titel der Abschiedsvorlesung verdankt, der da lautete: "Der ungläubige Thomas in der Kardiologie."

Anhand mehrerer Beispiele machte Erdmann deutlich, wie wichtig kritisches Denken und stetiges Hinterfragen vermeintlich sicherer Erkenntnisse gerade im kardiologischen Umfeld sind.

Für die Zuhörer höchst kurzweilig waren in diesem Zusammenhang Erdmanns Einlassungen zu der von der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt propagierten Positivliste, die - unter Mithilfe Erdmanns - schließlich zu Grabe getragen wurde.

Hier hatte der rührige Universitätsprofessor keine Mühen gescheut und sämtliche gut 600 Mitglieder des Deutschen Bundestages angeschrieben, um von diesen höchst aufschlussreiche Antworten zu bekommen - etwa die, dass Bundestagsabgeordnete Gesetzesentwürfe, über die sie abstimmen, nicht zwangsläufig lesen.

Weil kritisches Denken und Widerspruchsgeist mitunter unbequem sein können, ist nicht auszuschließen, dass folgende, während der Abschiedsfeier an Erdmann herangetragene Kölner Grundweisheit bei dem einen oder anderen Zeitgenossen durchaus zwiespältige Gefühle auslösen könnte: "Niemals geht man so ganz."

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