Kaiserschnitt-Kinder

Mit Vaginalsekret das Immunsystem stimulieren

Neuer Trend im Ausland: Kaiserschnitt-Kinder werden kurz nach der Geburt mit dem Vaginalsekret der Mutter eingerieben. Das soll den Neugeborenen beim Aufbau des Immunsystems helfen. Wissenschaftlich erwiesen ist der Erfolg dieser Methode nicht, warnen Ärzte.

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Ein Neugeborenes im OP-Kreissaal, direkt nach einer Entbindung per Kaiserschnitt.

Ein Neugeborenes im OP-Kreissaal, direkt nach einer Entbindung per Kaiserschnitt.

© Peter Widmann / blickwinkel / dpa

FRANKFURT/BERLIN. Für die Gesundheit ihres Babys würden die meisten Eltern wohl vieles ausprobieren. Ein neuer Trend aus dem Ausland heißt Vaginal Seeding. Die Methode soll Kindern, die per Kaiserschnitt zur Welt kommen, beim Aufbau des Immunsystems helfen.

Dafür wird der Mutter wenige Minuten vor der Geburt eine mit steriler Kochsalzlösung getränkte Mullbinde in die Scheide eingeführt, wie Susanne Steppat vom Deutschen Hebammenverband erklärt. Mit dem so aufgesaugten Vaginalsekret wird das Neugeborene dann eingerieben.

"Ein Teil der Flüssigkeit wird auch in den Mund getropft", sagt Steppat. "Das wird bei meinen Kolleginnen schon nachgefragt."

Der Hintergrund: Bei Babys, die auf natürlichem Weg geboren werden, gleicht die Darmflora jener der Mutter, da das Kind im Geburtskanal Vaginalsekret schluckt. Das Mikrobiom bei Kaiserschnitt-Kindern ist hingegen anders.

"Nachweislich haben Kaiserschnitt-Kinder eine höhere Wahrscheinlichkeit, Krankheiten wie Adipositas, Diabetes und Allergien zu bekommen", sagt Professor Frank Louwen von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG).

Noch nicht wissenschaftlich belegt

Der Pädiater Dr. Michael Hauch schreibt in seinem Buch "Ihr unbekanntes Superorgan – Alles über das Immunsystem", bei Kaiserschnittkindern dauere die Entwicklung einer gesunden Darmflora ein Vierteljahr länger. "Das Risiko, dass sich in dieser Zeit die falschen Kleinstlebewesen ansiedeln und den guten keinen Platz lassen, ist groß."

Drei Viertel der Neugeborenen, die an Krankenhauskeimen erkrankten, seien Kaiserschnitt-Kinder. Hier soll Vaginal Seeding Abhilfe schaffen.

Doch aus Sicht der DGGG gibt es noch keine Belege für den langfristigen Erfolg. Daher müsse die Methode in klinischen Studien untersucht werden. Da laufen gerade weltweit mehrere – auch unter Louwens Regie am Uniklinikum in Frankfurt am Main. Bis Ergebnisse vorliegen, werde es aber vier bis sechs Jahre dauern.

"Eine Frage ist zum Beispiel auch, ob wir genug Keime auf das Kind bekommen", sagt Louwen. Es könne einen Unterschied machen, ob das Baby zwei Stunden in der Scheide liege oder zehn Sekunden betupft werde.

"Das wird als Marketinginstrument genutzt"

Louwen warnt davor, Vaginal Seeding jenseits von Studien anzuwenden. "Im Moment wird aller Unsinn damit gemacht. Krankenhäuser bieten das an, ohne zu wissen, ob das was bringt. Nur um Frauen das Gefühl zu geben, up to date zu sein", kritisiert er. "Das wird als Marketinginstrument genutzt. Aber dafür ist Medizin nicht da."

Auch Steppat vom Hebammenverband spricht sich für Studien aus. Als sie von Vaginal Seeding hörte, sei sie zunächst skeptisch gewesen – verbunden mit allgemeiner Kritik an geplanten Kaiserschnitten: "Unten raus darf es nicht kommen, aber mit den Keimen soll es in Berührung kommen."

Inzwischen sei sie der Methode offener gegenüber: "Mit Blick auf das Immunsystem kann es eine kluge Idee sein, die vaginale Geburt nachzuspielen." Solange es dem Kind nicht schade, könne man das machen.(dpa)

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