Nach Sepsis

Norbert Blüm sitzt im Rollstuhl

Norbert Blüm war viele Jahre deutscher Arbeits- und Sozialminister. Er liebte den politischen Schlagabtausch und die Show. Nun wurde sein Leben umgekrempelt: Blüm ist von den Schultern abwärts gelähmt.

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16 Jahre lang war Norbert Blüm deutscher Arbeits- und Sozialminister.

16 Jahre lang war Norbert Blüm deutscher Arbeits- und Sozialminister.

© Rolf Vennenbernd / dpa

Bonn. Der ehemalige Arbeits- und Sozialminister Norbert Blüm (84) ist nach einer Blutvergiftung an Armen und Beinen gelähmt. Sein neues Leben im Rollstuhl machte er in einem Beitrag für die Wochenzeitung „Die Zeit“ öffentlich.

„Wie ein Dieb in der Nacht brach das Unheil in Gestalt einer heimtückischen Blutvergiftung in mein Leben ein“, berichtete Blüm darin. Seine Lage vergleicht er mit einer Marionette, der die Fäden gezogen wurden, so dass ihre Teile zusammenhangslos in der Luft baumeln. „Mir ist das Glück abhandengekommen, ungehemmt durch die Gegend zu streifen.“

Krankenhaus erst vor kurzem verlassen

Den Text hat Blüm seiner Frau diktiert. Dem Bericht zufolge fiel er nach einer Sepsis ins Koma und ist seitdem von den Schultern abwärts gelähmt. Er habe das Krankenhaus nach monatelangen Aufenthalten erst vor kurzem wieder verlassen können.

Über den Beitrag hinaus wolle er sich zu dem Thema nun aber nicht mehr äußern. Jetzt sei es öffentlich - und damit sei es gut. „Sein Ziel ist es zum Beispiel, wieder ein Buch selbst halten zu können“, sagte sie. Laufen werde ihr Mann aber nicht mehr können.

Blüm schreibt dazu: „Der Rollstuhl ist der Standort, von dem aus ich die Welt jetzt betrachte.“ Aus Kleinigkeiten würden bei ihm nun echte Probleme. Etwa ein Juckreiz unter dem linken Auge. „Früher hätte ich mit einem Handstrich den Juckreiz beseitigt. Heute kann meine Hand das nicht.“

Er müsse geduldig ausharren, bis der Reiz weg sei. Auch seine Atmung sei betroffen. „Mit großer Willensanstrengung“ müsse er seinem Körper nun fast jeden Atemzug abringen.

„Rummelboxer der Politik“

Blüm bezeichnet sich selbst als „Rummelboxer der Politik“. Von 1982 bis 1998 war er Arbeits- und Sozialminister, genauso lange wie sein großer Förderer Helmut Kohl Bundeskanzler war. Dem politischen Schlagabtausch ging der gelernte Werkzeugmacher aus Rüsselsheim selten aus dem Weg.

Später zog es ihn sogar ins Showgeschäft - er war Mitglied des Rateteams in der Neuauflage des TV-Klassikers „Was bin ich?“. Vielen hängen geblieben ist aber vor allem ein Blüm-Satz: „Die Rente ist sicher.“

In dem „Zeit“-Beitrag mit dem Titel „Was bedeutet mein Unglück?“ schaut der CDU-Politiker auch zurück und ordnet die Dinge neu. „Im Horizont des Rollstuhls fällt der Rückblick anders aus als in der herkömmlichen Panoramasicht.“ Er beurteile manche Ereignisse in seinem Leben anders als bisher - „und der Rollstuhl bildet die Wasserscheide“. „Der Standpunkt wechselt mit dem Standort.“

Mittlerweile befinde er sich wieder daheim bei seiner Familie, die in turbulenten Zeiten oft sein Zufluchtsort gewesen sei. Eigentlich genieße er einen privilegierten Status. „Ich lebe wie Gott in Frankreich.“ Rund um die Uhr werde er bedient: „Ich werde gefüttert.“

Und er sei mehr als sein Körper, schreibt Blüm. „Vor die Wahl gestellt, würde ich Defizite körperlicher Tüchtigkeit leichter ertragen als den Verlust von mentaler Selbstständigkeit“. (dpa)

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