Ruckzuck mal eben das Bein amputiert

Ein Museum in Dänemark liefert Einblicke in den Alltag von Schiffsärzten im 19. Jahrhundert: Unter katastrophalen Bedingungen gingen sie damals ihrem blutigen Handwerk nach.

Von Gunnar von der Geest Veröffentlicht:
Akkordarbeit an Bord: Unter katastrophalen hygienischen Bedingungen mussten Schiffsärzte auf der "Jylland" arbeiten.

Akkordarbeit an Bord: Unter katastrophalen hygienischen Bedingungen mussten Schiffsärzte auf der "Jylland" arbeiten.

© von der Geest

EBELTOFT. Viele touristische Attraktionen bieten nicht nur einen imposanten Einblick in die Lebenswelt der Menschen lange vor unserer Zeit, sondern vermitteln auch Medizingeschichte hautnah.

Ein gutes Beispiel hierfür ist die Fregatte "Jylland", die im dänischen Hafenstädtchen Ebeltoft Teil eines bemerkenswerten maritimen Museums ist.

Eine Amputation gilt in der Medizin als "Ultima ratio". Erst wenn alle therapeutischen Maßnahmen ausgeschöpft sind, entschließen sich Chirurgen zu diesem Eingriff, der später nicht mehr zu revidieren ist.

Eine Unterschenkel-Amputation beispielsweise dauert vom Hautschnitt bis zum Ende der Naht in der Regel zwischen 25 und 60 Minuten - je nach Übung des Arztes und Verlauf der Operation.

Eine völlig andere Situation ergibt sich, wenn durch unvorhersehbare Ereignisse wie einen Unfall das Leben des Patienten in Gefahr und schnelles Handeln erforderlich ist.

Zerschossene Arme und Beine amputiert

Unter welchen aus heutiger Sicht abenteuerlichen Bedingungen Mediziner vor rund 150 Jahren in Krisenzeiten arbeiten mussten, zeigt eine mit Augen und Ohren erlebbare, ständige Ausstellung auf dem früheren Kriegsschiff "Jylland".

Die Fregatte "Jylland" (zu deutsch: Jütland) liegt seit 1984 im Trockendock des dänischen Hafenstädtchens Ebeltoft. Sie ist mit 71 Metern Länge und 13 Metern Breite das weltweit größte noch erhaltene Holzschiff aus dem 19. Jahrhundert.

Der Dreimaster wurde zwischen 1856 und 1860 in Kopenhagen auf der Marinebasis Holmen gebaut und war von 1862 bis 1874 im Einsatz.

Am 9. Mai 1864 erlangte die "Jylland" den Status eines Nationalsymbols, als sie mit einem Volltreffer das Seegefecht gegen die scheinbar übermächtige österreichisch-preußische Flotte vor Helgoland entschied.

Doch der Sieg hinterließ tiefe Spuren. Unter der 430 Mann starken Besatzung mussten bei 31 Marinesoldaten zerschossene Arme oder Beine amputiert werden. Nur neun von ihnen überlebten.

Dies klingt nach einer verheerenden Erfolgsquote, aber die Chirurgen an Bord - ohne Ausnahme Zivilisten - gingen unter katastrophalen Bedingungen ihrem blutigen Handwerk nach.

Hoher Alkoholkonsum

Das Wohnzimmer der Offiziere diente als Operationssaal. Schließlich war dieses auf dem Unterdeck der auch einzige Raum mit Oberlicht.

Nur etwa 30 Sekunden dauerte die Amputation eines Beines, wobei der Eingriff immer bei vollem Bewusstsein des Verletzten vorgenommen wurde.

Das Bordbuch verzeichnet in diesen Stunden indes einen überaus hohen Alkoholverbrauch: Während des zweistündigen Seegefechts konsumierte die gesamte Besatzung 577 Liter Bier und 48 Liter Branntwein.

Größere Mengen davon, so ist es überliefert, erhielten die Verwundeten, um Schmerzen zu "vernebeln". Die Chirurgen setzten ihre schnellen Schnitte übrigens nach einem medizinischen Lehrbuch von 1775, das den Ablauf der Amputationen mit Hilfe von Schaubildern veranschaulichte.

Wenngleich die meisten Operationen zunächst überraschend gut verliefen, so war ein Problem nie in den Griff zu bekommen: Die meisten Todesfälle traten einige Tage später aufgrund von Infektionen ein.

Möglicherweise wäre der hochprozentige Schnaps zum Desinfizieren beispielsweise des Operationsbestecks auch nützlich gewesen…

Die Fregatte Jylland ist übrigens Teil eines maritimen Museums, das rund um ein Trockendock, in dem sie liegt, aufgebaut worden ist.

Exakte Anleitung von einst: professionelle Amputation.

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© von der Geest

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