Zivilisten und Soldaten

Seit Kriegsbeginn: 52 ukrainische Patienten in Berlin versorgt

Als Pars pro toto zieht die Charité Bilanz zur Versorgung kriegsverletzter und akut erkrankter Patienten aus der Ukraine. Vermisst werde dabei auch ein klarer Fahrplan auf Bundesebene für die Finanzierung.

Veröffentlicht:
Noch immer Alltag in der Ukraine: Bergung Kriegsverletzer, hier im Januar 2024 in Charkiw. Seit Kriegsbeginn sind mehr als 950 Patientinnen und Patienten aus der Ukraine nach Deutschland transportiert und hier über das „Kleeblatt-Verfahren“ behandelt worden.

Noch immer Alltag in der Ukraine: Bergung Kriegsverletzer, hier im Januar 2024 in Charkiw. Seit Kriegsbeginn sind mehr als 950 Patientinnen und Patienten aus der Ukraine nach Deutschland transportiert und hier über das „Kleeblatt-Verfahren“ behandelt worden.

© Vyacheslav Madiyevskyy / Avalon / Photoshot / picture alliance

Berlin. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs vor knapp zwei Jahren sind 52 ukrainische Patienten mit koordinierten Transporten nach Berlin gebracht worden. Die Menschen seien seit dem 24. Februar 2022 über das sogenannte Kleeblatt-Verfahren in hiesigen Kliniken weiterbehandelt worden, teilte die Senatsverwaltung für Gesundheit auf Anfrage mit (Datenstand 22. Januar). Unter diesen Patientinnen und Patienten sind Zivilisten und Soldaten.

Das Kleeblatt-System war während der Corona-Pandemie eingeführt worden, um Patientinnen und Patienten bei Überlastung innerhalb Deutschlands auf Kliniken zu verteilen. Insgesamt wurden seit Kriegsbeginn bisher mehr als 950 Patientinnen und Patienten aus der Ukraine über diesen Mechanismus nach Deutschland transportiert und hier behandelt, wie eine Sprecherin des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe erklärte.

Nicht nur kriegstypische Verletzungen

Überwiegend geht es demnach um kriegstypische Verletzungen, etwa durch Schüsse, Explosionen, Sprengungen, Verbrennungen und um den Verlust von Gliedmaßen. Außerdem würden auch akut Erkrankte aus der Ukraine übernommen, die eine weitergehende medizinische Behandlung bräuchten. Etwa, weil es in dem kriegsgebeutelten Land an Medikamenten mangelt oder Infrastruktur zerstört wurde. „Hinzu kommen noch unterschiedlichste Psychotraumata.“

Fachleuten zufolge dürften abseits des offiziellen Weges noch mehr ukrainische Kriegsverletzte in Berlin behandelt worden sein, da sich auch Hilfsorganisationen für eine Versorgung einsetzen.

Monatelange Behandlungen in Berlin

Bei der Übernahme gehe es meist nicht um akut Verletzte, deren Versorgung gelinge in der Ukraine, sagte Professor Sven Märdian, leitender Oberarzt an der Charité, der für das Berliner Traumanetzwerk die Verteilung ukrainischer Soldaten auf Kliniken koordiniert. Dennoch handele es sich oft um komplexe Fälle, die teils monatelang behandelt werden müssten. Dabei gebe es Parallelen etwa zur Versorgung von Unfallopfern. Es kämen aber zusätzliche Herausforderungen hinzu, häufig etwa Infektionen mit multiresistenten Keimen. Diese gelten als relativ schwer in den Griff zu bekommen.

Im Unterschied zu anderen Patienten fehlt Ukrainern außerdem das soziale Umfeld. Statt zwischen Behandlungen zu Hause von der Familie umsorgt zu werden, kann das bedeuten: „Die Patienten gehen von hier aus in eine Flüchtlingsunterkunft oder in andere Auffangeinrichtungen“, sagte Märdian. „Das ist nach einem Eingriff suboptimal.“ Das Problem ist den Behörden bewusst: Die Senatsverwaltung für Soziales ist nach eigenen Angaben dabei, ein Objekt als mögliche Unterkunft für solche Patienten zu prüfen.

„Wir bräuchten einen maximalen Bürokratieabbau“

Die Kosten für Behandlungen mit mehreren Operationen und langen Krankenhausaufenthalten könnten in die Hunderttausende gehen. Kliniken gingen dabei in Vorleistung, sagte Märdian. „Was ich vermisse, ist ein klarer Fahrplan auf Bundesebene für die Finanzierung“, sagte der Mediziner. „Wir bräuchten einen maximalen Bürokratieabbau.“ Schwierig sei auch, Patienten in Reha zu schicken, da diese Kliniken vorab eine zugesicherte Kostenübernahme bräuchten.

Die Sozialverwaltung geht nach eigenen Angaben in Absprache mit der Gesundheitsverwaltung immer wieder der Frage von Abrechnungsschwierigkeiten nach. „Uns wurde mitgeteilt, dass dies nicht der Fall ist bzw. dass keine Fälle bekannt sind“, teilte ein Sprecher mit. Bekannt sei aber, dass es für Patienten teils zu Verzögerungen bei Bürgergeld und Sozialhilfe komme – und so auch beim damit einhergehenden Zugang zur Krankenversicherung.

Diese Leistungen müssten beantragt werden, da das Bundesgesundheitsministerium für das Kleeblatt-System keine eigenständige Finanzierung vorgesehen habe. Es verweise auf Bürgergeld, Sozialhilfe und Asylbewerberleistungsgesetz. Verzögerungen könnten sich insbesondere aufgrund der Komplexität der Fälle und der Vielfältigkeit der Stellen ergeben, die jeweils für Teile des Prozesses in Berlin zuständig seien. Es gebe aber einen Austausch mit den Bezirken über Möglichkeiten, Fälle zu bündeln. (dpa)

Jetzt abonnieren
Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Kongress-Motto „Resilienz“

DGIM-Präsident Galle: Wie Kollegen den Kopf frei bekommen

Gesetzentwurf im Landtag

SPD in Baden-Württemberg wirbt für mobile Gemeindeschwestern

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Dr. Antigone Fritz und Hubertus Müller sitzen trocken am PC. Dort zu sehen: ein Bild vom Hochwasser in Erftstadt vor drei Jahren.

© MLP

Gut abgesichert bei Naturkatastrophen

Hochwasser in der Praxis? Ein Fall für die Versicherung!

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MLP
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Knappe ärztliche und Pflege-Ressourcen

Wie die Peritonealdialyse die Personalprobleme lindern könnte

Kongress-Motto „Resilienz“

DGIM-Präsident Galle: Wie Kollegen den Kopf frei bekommen

Alternatives Versorgungsmodell

Wenn der „Zuhause-Arzt“ alle Hausbesuche übernimmt

Lesetipps
Frühgeborenes Baby schlafend im Inkubator auf der Intensivstation mit angeschlossenen Überwachungskabeln.

© Toshi Photography / stock.adobe.com

Frühgeburt

Frühgeborene: Was bringen Probiotika?

Auch einem CT-Bild ist ein Prostata-Karzinom markiert.

© samunella / stock.adobe.com

Aktualisierung der S3-Leitlinie

Früherkennung von Prostatakrebs: Tastuntersuchung vor dem Aus